Nachdem Eminem von ihr das Bild einer drogenabhängigen Rabenmutter zeichnete, stellt Debbie Nelson im Buch "Mein Sohn Marshall, Mein Sohn Eminem" ihre Sicht der Dinge dagegen: Sie betrachtet sich als liebevolle Kämpfernatur, die mit den erfundenen oder dramatisierten Geschichten aus Eminems Songtexten nichts zu tun haben will.

Konstanz (ssm) - Nach jahrelangen Beleidigungen und öffentlichen Vorwürfen Eminems gegenüber seiner Mutter wird wohl kaum jemand unvoreingenommen an die Lektüre deren Werks "Mein Sohn Marshall, Mein Sohn Eminem" (Schwarzkopf & Schwarzkopf, Hardcover, 256 Seiten, 17,90 Euro) herangehen. Doch auch unter diesem Aspekt erscheint Debbie Nelsons Version der Familiengeschichte arg idealisiert dargestellt.

Statt als saufende und Pillen schluckende Schlampe, die ihrem Sohn regelmäßig immer neue Stiefväter vorsetzt, sieht sie sich als kämpferische Übermutter. Ihr einziger Fehler habe darin bestanden, ihre Kinder mit zuviel Liebe zu überschütten. An der Verwandlung von Marshall Mathers in den Bösewicht Slim Shady trage sie keine Schuld.

Die Schuld tragen andere

Gleich zu Beginn konfrontiert die Autorin den Leser mit ihrer eigenen schweren Kindheit. Angefangen bei der Hochzeit mit Eminems Vater Marshall Bruce Mathers folgen die Schuldzuweisungen. Der Vater habe die Familie nicht nur später verlassen. Nein, er soll auch für Debbies ersten – ungewollten – Drogentrip verantwortlich gewesen sein: Aus Angst vor der Polizei schiebt er der völlig Ahnungslosen LSD in den Mund.

Ihren unbestrittenen späteren Drogenmissbrauch rechtfertigt sie mit fadenscheinigen Ausreden. Bei den Pillen etwa, die Marshall unter der Matratze fand, soll es sich in Wahrheit um Medikamente gehandelt haben. Die meisten anderen Behauptungen Eminems sind Debbies Aussagen zufolge schlicht und einfach frei erfunden.

"Ich habe immer an ihn geglaubt"

Die Familie hatte es zwar schwer, aber für Debbie ging angeblich nichts über das Wohlergehen des Nachwuchses. Oft habe sie Nachbarskinder beherbergt, um die sie sich ebenfalls gekümmert haben will.

Als Marshall beginnt, sich für Rap zu interessieren, sei er auf die bedingungslose Unterstützung seiner Mutter getroffen: Sie habe immer an ihn geglaubt. Die Schuld für Eminems Selbstzweifel, Wut und Niedergeschlagenheit gibt Debbie an andere weiter: Typen wie DeAngelo Bailey, der Marshall im Kindesalter krankenhausreif schlug, oder Ems Ex-Frau Kim, die als von Grund auf böse geschildert wird.

Von Anwälten ausgenutzt

Ihren Beitrag an der Entstehung des gewalttätigen und sexistischen Alter Egos Slim Shady kann sich die liebende Mutter nicht erklären. Eminem habe Tracks wie "Cleaning Out My Closet" in dem Wissen geschrieben, dass sich solche Dramen besser verkaufen als die eher zurückhaltende Art, die noch auf "Infinite" zu hören war.

Die Auseinandersetzung innerhalb der Familie habe sich erst in der Folgezeit entwickelt. Mit dem Einsetzen von Marshalls plötzlicher Berühmtheit wollten Verwandte, zu denen man jahrelang keinen Kontakt hatte, ein Stück vom Kuchen abhaben. Selbst der Prozess gegen ihren Sohn soll nicht auf Debbies Mist gewachsen sein. Vielmehr habe der Anwalt, den sie nach Angriffen von Fans konsultierte, eigenmächtig eine Zehn-Millionen-Dollar-Klage eingereicht.

Die goldene Mitte

Unterm Strich gerät Debbie Nelsons Darstellung nicht besonders glaubwürdig. Eine permanent von Pech und widrigen Umständen gebeutelte, aber trotzdem heile Familienwelt, die ihren Zusammenhalt allein der verständnisvollen und fürsorglichen Mutter verdankt? Schwer zu glauben, zumal man die Konflikte dann wohl eher nicht in Gerichtssälen ausgetragen hätte.

Dass Eminem die Vergangenheit überspitzt darstellt, kann man sich gut vorstellen. Dass er alles frei erfunden hat, und die Wut auf die leibliche Mutter einzig auf Gier beruht, weniger.

Abgesehen von der Aussicht auf erhoffte Einkünfte hatte die Autorin vermutlich einfach satt, auf der Straße von wildfremden Eminem-Fans angepöbelt zu werden, die ihr mit Kaugummi die Haare verkleben oder sie anspucken. So gesehen scheint eine überspitzte Gegendarstellung nachvollziehbar. Irgendwo in der Mitte liegt dann wohl auch die Wahrheit.

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