Die Charts-Affäre kommt vor Gericht: Ein Veranstalter klagt auf Schadensersatz, in der Schweiz liegt sogar eine Strafanzeige vor.

Weil am Rhein/Zürich (joga) - Die Affäre um den Chartsbetrug zieht immer weitere Kreise. Nachdem die aus den Charts ausgeschlossene Grand Prix-Teilnehmerin Gracia gestern in einem Rundumschlag erklärt hatte, Charts-Betrügereien seien absolut an der Tagesordnung, das beste Beispiel sei Jeanette Biedermann, wehrt sich die derart gescholtene heute ebenfalls in der Boulevardpresse: "Die Geschichte hat sich nach genauen Untersuchungen als falsch erwiesen. Die Behauptungen sind ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver", sagte Jeanette zu Bild.

Tatsächlich hatte der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft im März 2002 auch gegen Jeanette Biedermanns Manager Holger Kurschat ermittelt. Weil Kurschat damals angeblich nur der Kauf von etwa 200 Tonträgern nachgewiesen werden konnte, wurde die interne Untersuchung eingestellt. Dabei weiß die Branche im Grunde ganz genau, dass Gracias Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind. "Wenn zu einer Goldenen Schallplatte noch 10.000 verkaufte Platten fehlen, dann gibt es keine Plattenfirma, die da nicht die restlichen Tonträger selbst kauft", sagte der Musikproduzent und Geschäftsführer des Forschungszentrums für Populäre Musik der Berliner Humboldt-Universität, Lutz Fahrenkrog-Petersen (der jüngere Bruder von Nena-Keyboarder Uwe) zur Freien Presse.

Unterdessen geraten auch Vanilla Ninja, die die Schweiz beim Grand Prix vertreten sollen, in schweres Wasser. Zwar hat die estländische Mädchenband den des Charts-Betrugs verdächtigten David Brandes mittlerweile von seiner Managerfunktion entbunden, als Produzent der Band fungiert er aber aus vertraglichen Gründen weiterhin. Allerdings werde man auch da eine Lösung finden, wenn sich die Situation weiter zuspitze, sagt Vanilla Ninjas neuer Manager Christoph Helbig zu Schweizer Medien.

Darauf deutet derzeit vieles hin. Die WAZ berichtet heute, dass der Veranstalter eines Vanilla Ninja-Konzertes in Castrop Rauxel David Brandes auf Schadensersatz verklagt: "Das Geschäft kam auf der Grundlage manipulierter Zahlen zustande. Die offiziellen Verkaufszahlen gaukelten für einen Live-Auftritt eine Zielgruppe vor, die so nicht vorhanden war und ist. So erklärt sich auch die schwache Resonanz am 4. April mit nur rund 500 Besuchern, die weit hinter meinen Erwartungen zurück blieb. Mir ist ein erheblicher finanzieller Verlust entstanden", schimpft Zoran Amann.

In der Schweiz liegt einem Bericht von Blick zufolge sogar eine Strafanzeige gegen Brandes vor. Der Kläger mache geltend, 150.000 Euro investiert zu haben, weil der Produzent dafür den "ultimativen Sommerhit" versprochen habe. Zu dem bereits im Jahr 2003 beschlossenen Deal soll auch der Kauf von mehreren Tausend CDs gehört haben, offenbar um Einfluss auf die Charts zu nehmen. Zwei betroffene Anleger führten am Donnerstag Abend in der SAT 1-Sendung "Akte 05" kistenweise Maxi-CDs des Indiggo-Songs "Hip Hop Jam" vor, die sie in Absprache mit Brandes gekauft haben wollen. Erst am Mittwoch hatten Media Control und die Kontrollstelle der IFPI versichert, dass in der Schweiz keinerlei Manipulationsversuche festgestellt worden seien.

Das Schweizer Fernsehen bekräftigte unterdessen seine Absicht, Vanilla Ninja zum Grand Prix zu schicken, wie auch der NDR an Gracia festhalten will. Die Regeln des Wettbewerbs verböten es ohnehin, jetzt noch Teilnehmer auszutauschen, rechtfertigte sich NDR-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer in der Bildzeitung: "Entweder fährt Gracia oder keine".

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