Seite 3 von 17

Ein Virtuose der Geschmacklosigkeit

Diese sehr verschiedenen Äste führen zusammengefasst zu dem Schluss: Hank war ein Prototyp für einen Schock-Rapper, für einen Internet-Rapper und für einen Jungsumkleiden-Rapper.

Schock-Rap und Provokation

Ich werde jetzt kein Fass darüber aufmachen, dass Hollywood Hank problematisch genug ist. Destilliert und in Flaschen abgefüllt, könnte man mit der Menge Bullshit, die er alleine gelabert hat, wahrscheinlich geschätzt 256.000 Rapper canceln. Nennt das die Twitter-Scoville-Skala. Aber, nein, klar: Selbst in einer Wildwest-Ära des deutschen Raps hat Hollywood Hank Debatten über die Kunstfreiheit angeregt. Der Sinn dieser Musik ist es, einen denken zu lassen, der Typ sei komplett fertig im Kopf.

Aber warum eigentlich? Woher kam diese enorme Sehnsucht nach Schock und Grenzübertretung? Eine Erklärung, die ich immer für Artists wie K.I.Z. oder frühe YouTuber parat hatte, ist der Übergang von Comedy ins Internetzeitalter: All die Kids der 2000er sind mit Serien wie "The Simpsons", "South Park" und "Family Guy" aufgewachsen, denen Provokation und schwarzer Humor einen Siegeszug gegen das Gatekeeping der Sendeanstalten bescherten. Hört man halb hin, steckt ein gewisses Ethos in deren Kantigkeiten, ein Stolz darauf, das machen zu dürfen, das man da macht. Im beginnenden Internetzeitalter ist das dann eben in semi-privaten Händen von allen Leinen gelassen worden. Das war, wie "A Serbian Film" oder "2 Girls 1 Cup", Jungs-Umkleiden-Core: Im Kaff war eben der der Coolste in der Jungs-Clique, der das abartigste popkulturelle Artefakt auftun konnte. "Soziopath" war so eine musikalische Mutprobe.

Das setzt dann auch die ganzen Fascho-Flirtationen dieses Albums in Relation. Hank vergleicht sich oft genug mit Hitler, der NSDAP, er macht das auf die gleiche Art, wie er sich in eine Reihe mit Serienmördern, mit AIDS oder mit Anscheißpornos setzt. Es ist eine ziemlich echsenhirnige Logik, aber auch eine, bei der es mir schwerfällt, mich davon provoziert zu fühlen. Es ist postpubertär, wenngleich ab und zu unterhaltsam. Hank war definitiv ein Virtuose im Timing der maximalen Geschmacklosigkeit, und das ist am Ende ja auch Battlerap: die Fähigkeit, eine Reaktion aus einer Crowd zu ziehen.

Seite 3 von 17

Weiterlesen

Noch keine Kommentare