NMixx - O.O
Und damit schließen wir mit dem anderen Thema und dem Gespräch des Monats ab. Diese Sirenen am Anfang müssen wohl richtig gewählt sein, denn nach der Resonanz auf NMIXX' Debüt "O.O" könnte sich das ganze JYP-Lager erstmal in den Bunker verziehen. Ich habe noch nie erlebt, dass die K-Pop-Bubble einen Song so einstimmig verabscheut hat wie diesen. "O.O" ist nämlich ein kompletter Clusterfuck. Flickenteppich-Pop der härtesten Gang-Art, angefangen wird mit einem chantigen Bass-Gewitter, einem Coca Cola-Werbe-Tie-In, Girl Crush-Serenaden und einem Song, der so laut und stressig ist, wie K-Pop irgendwie werden kann. Ein Part, eine Hook, Stille. Dann baut sich plötzlich ein Pop-Rock-Song für eine Strophe auf, der in eine Bridge übergeht und dann den ersten Refrain zurückbringt und dann ohne jede weitere Ausleitung abbricht.
"O.O" dürfte ohne Frage einer der abruptesten und gewöhnungsbedürftigsten Songs der Pop-Gegenwart sein. Und er haut genau auf den Nerv vieler K-Pop-Kritikerinnen und Kritiker. Er ist genau das, das sie mit "Noise Music" beschreiben: Stressiges, gewittriges Gedresche mit mehr Rap als Gesang und keiner kohärenten Songstruktur. Es sind quasi die gleichen Kritik-Punkte, die an SM-Gruppen wie Aespa oder NCT schon seit Jahren geübt wird. NMIXX wird davon nun doppelt und dreifach getroffen. Zum einen, weil sie nur noch intensiver und aburpter auf diesen Sound springen - und zum anderen, weil Fans bei JYP eher Zuflucht als mehr davon ersuchen.
Außerdem steht gerade in K-Pop-Kreisen immer noch dieses bescheuerte Argument im Raum, man müsse einen guten Popsong beim ersten Hören erkennen und auf keinen Fall ein paar Mal hören müssen. Das Ding ist: Ich finde das alles ist Quatsch und ich verstehe die Negativität nicht. Ja, "O.O" ist chaotisch. Aber irgendwo in diesem Chaos liegt doch auch das Glorreiche daran. Ich verstehe zum einen, dass Leute JYP übel nehmen, den Sound der Konkurrenz anzuzapfen und ich sehe, dass Leute den Rap im ersten Part nicht wahnsinnig gut leiden können, aber nach einer Woche des Marinierens würde ich doch sagen: Ihr Spaßbremsen! Dieser Song platzt mit dreihundert Stundenkilometern auf die Autobahn und wir alle sind die Fliege an der Windschutzscheibe.
Es ist Prog-Pop im besten Sinne: Völlige Reizüberflutung, radikale Neu-Ausrichtung des Songs alle dreißig Sekunden. Dieser Sound, ist was K-Pop gerade interessant macht. Ich liebe den Build-Up in den Chorus, ich liebe die Vocal-Pattern im Rock-Part, die Ästhetik im Musikvideo. Dieser Song allein hat so viele interessante und starke Stellen und offensichtlich ein paar verdammt talentierte Idols im Kern, ich bin wahnsinnig gespannt, wie es mit NMIXX weiter geht. Und ich hoffe wirklich, dass sie sich nicht zu einer Kursänderung drängen lassen. Denn die Welt braucht mehr weirden Pop und ich bin ein bischen entsetzt über die konservative Wagenburgmentalität vieler anderer Fans.
Wertung: 4,5/5
1 Kommentar
Ja, jetzt hasst man es noch, aber das kann in ein paar Jahren ähnlich wie bei Young Thug im Hip-Hop dann Kult werden, wenn es alle nachmachen.