Platz 1: "Wish You Were Here", 1975
Keine Platte ist so wichtig, keine Platte wurde so oft in den Sand gesetzt, wie die nach dem kommerziellen Durchbruch. Wenig verwunderlich also, dass es 1974 erstmals keinen Floyd-Output gab. Zwar doktern Gilmour, Mason, Waters und Wright bereits an einigen Stücken herum und auch ein gewisser Song namens "Shine On You Crazy Diamond" findet sich bereits im Live-Set wieder, doch zunächst probieren sich Pink Floyd ein weiteres Mal an der bereits 1971 beiseitegeschobenen Idee des Musizierens mit Gummibändern, Weingläser und Mixern.
Doch es ist ein anderer Geist der Vergangenheit, der "Wish You Were Here" schlussendlich zum genreübergreifenden Meilenstein heranwachsen lässt: Waters, gedanklich längst der Suche nach dem nächsten großen Albumkonzept verschrieben, stellt sich angesichts der neueren kommerziellen Sphären die entscheidende Frage: "Was würde Syd tun?" Diese Vergangenheitsbewältigung gipfelt in einem tieftraurigen Konzept zum Thema "Abwesenheit", das Waters gleichermaßen auf den verstoßenen (und plötzlich im Studio auftauchenden) Bandgründer wie auf das fehlende Rückgrat der Musikindustrie münzt.
"We'll bask in the shadow of yesterday's triumph" – 1975 haben Pink Floyd alle Lehren aus dem Gestern gezogen und lassen es behutsamer denn je angehen. Das vielleicht absolute Floyd-Kernstück "Shine On You Crazy Diamond" lebt neben seiner lyrischen Nostalgie vor allem von der einmaligen musikalischen Kommunikation zwischen Gilmour und Wright. Die insgesamt neun Parts auf 26 Minuten lassen Raum für Prog, Rock, Elektronik, Blues, Jazz, Folk und Ambient und funktionieren bis heute als karger Soundtrack für sämtliche Generationen: Von der adoleszenten Weite des Weltraums bis zur emotionalen Midlife-Crisis-Leere.
Dass dazwischen noch Platz ist für wabernde Synthkaskaden, einen Roy Harper-Gastauftritt und die beste (und missverstandenste) Ballade des Jahrzehnts: Das verdanken wir der vollkommenen Summe der Teile – auf dem letzten Werk, bei dem die Band noch im hundertprozentigen Gleichgewicht ist.
Zu oft übersehen:
"Shine On You Crazy Diamond (Parts 6-9)"
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7 Kommentare mit 7 Antworten
Schwierig, die Alben von PF zu ranken. Ich hätte "Dark Side of the Moon" wohl auf die 1 gesetzt und "Wish you were here" auf die 2, aber das geht schon in Ordnung so.
Der beste Song ist auf jeden Fall "Dogs"!
Zum Kinder zeugen ideal und auch mein Platz 1!
Was soll man dazu noch sagen?
Kopfkino ist zu hart...der grunzende, schwitzende Meuri; Dregerlard-Vibes.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Shine on ist möglicherweise das beste piece of music ever made. Nicht mehr nicht weniger. Denke dark side und dieses album können höchstens durch einen fotofinish oder tägliche Stimmung unterschiedlich platziert werden. Beide platz 1 würdig
Für mich in gewisser Hinsicht das emotionalste Album. Dass einem die Tränen in die Augen steigen können, wenn in Shine On... die ersten Gitarrenlicks erklingen und man vielleicht gerade einen harten Tag gehabt hat, dann sagt das vielleicht schon alles aus. Dieses Album nimmt einen an, so wie man ist, umarmt einen, reicht einem die wärmende Decke und eine Tasse Tee dazu, bevor man, sanft geführt, in den Sessel vor den Kamin gebeten wird. Daheim sein, irgendwie. Schutz vor dem Übel, das vor der Türe lauert. Danke, Pink Floyd.
"The Final Cut" auf Platz 5?!? Das Album habe ich damals leidenschaftlich gehasst.
Spitzenfeld war unredlich erwartbar.
Im eigenen "Homestudio" mit den "11 Alltime Favourite Albums" hängt dann auch eine gerahmte Nachpressung der "Dark Side...", obwohl da - wenn's denn allein meine Herzensangelegenheit gewesen wäre - eben diese hier hängen sollte. Latürnich ebenfalls nachgepresst, evtl. aber nur noch bis bestimmte Teile Erbmasse liquide werden.
Hab die "Dark Side..." aber allein schon aus schierem Respekt wählen müssen, weil es die Platte war, die benutzt wurde, als zum ersten Mal jemand einen unmenschlich exakten und wahnsinnig imposanten "Drive" von Marissa Nadler mit mir abgezogen hat:
"Nothing like the way it feels /Nothing like the way it feels
to drive
Still remember all the words / to every song you ever heard
...drive"
souli, mal so aus Interesse, was sind da noch für illustre Kandidaten an der Homestudiowand dabei?
Damn, ausgerechnet HIER hakt wer ein...
Also zunächst einmal ist diese Wand bzw. der Gang mit den Wänden unglücklich von mir benannt... Streng genommen sind es nicht die 11 Platten, deren Musik mir am besten gefällt, sondern konzeptuell eher die, die meine Liebe zu Musik und Kunst und mein Selbstverständnis als Klitzekleinkünstler geprägt und erweitert haben, bspw. auch um neue Einsichten, wie mensch sich (auch) ästhetisch und synchron zur eigenen Musik inszenieren, entwickeln und verändern kann...
Als sehr gutes Beispiel hierfür lässt sich Bat for Lashes "Two Suns" von 2009 benennen. Ausnahmsweise sogar mal die Originalpressung, was wohl daran liegt, dass abseits dieser Wände nicht mal als "Youngster" korrekt eingestuft wäre.
Ginge es "bloß" um die Musik auf den Platten, so täte ich z.B. mittlerweile aufgelösten(?) Amateur-Underdogs wie Trip Fontaine und ihrem Zweitling "Dinosaurs in Rocketships" großes Unrecht, weil der dort nicht hängt. Dass ich da hinsichtlich zugesprochener musikalischer Großartigkeit nicht grundsätzlich falsch liege, mache ich dabei an der Tatsache fest, dass die später mit dem letzten Album vor der Dauerpause noch völlig berechtigt bei einem meiner Lieblings-Indielabels im deutschsprachigen Raum unterkamen: Staatsakt.
Trotz des o.g. Konzepts sind jedoch Kompromisse noch immer nicht ganz vermeidbar, was durch viele Gründe, u.a. natürlich häufiger das Arschloch Kapitalismus, bedingt ist:
- "Aenima" von Tool gibt es wegen dieses anscheinend nie voll zu ihren Gunsten geklärten Rechtsstreits mit der damaligen Plattenfirma bis heute als einzige im Backkatalog nicht nachgepresst, sondern nur in der gebrauchten Originalfassung von 1996 zu Preisen um die 1.000€. Als Platzhalter bis zur nennenswerten Alternative (die diese dt./europäischen Bootlegpressungen imo nicht darstellen) hängt nun "Thirteenth Step" von A Perfect Circle.
- Ähnliches lässt sich zur LP-Kleinstserie von PJ Harveys "Is this desire?" von 1998 sagen, bzw. finde ich es hier noch schwieriger, weil überhaupt nur alle 2-3 Jahre wer sein Exemplar auf den gängigsten Wegen feilbietet. Platzhalter ist eine Nachpressung ihrer 1995er "to bring you my love", der Lieblingsplatte meiner "Immer mal wieder, aber nie so ganz"-Lebensgefährtin seit nun fast 19 Jahren.
Dann sind da die Probleme, dass es im Falle unglaublicher und erstrebenswerter Weiterentwicklungen mehrere Alben mancher Künstler*innen und Acts in den Gang schaffen müssten, ich dann aber schnell bei den "111 Alltime Favourites" wäre und dafür ist der Gang zu klein... In dem Fall habe ich mich für den vermeintlichen Zenit und/oder Abschluss solcher Entwicklungen entschieden - als Beispiel sei "Homogenic" von Björk genannt.
Dann sind da selbstverständlich die erwartbaren üblichen Verdächtigen, die ich ja auch hier seit über 10 Jahren in jedem dritten Beitrag nenne und deswegen auch von meiner unheimlichen Blindliebe Krypta gehatet werde, weil immer nur wieder die und nie was wirklich neues genannt werden: "Effloresce" von Oceansize, "Mr. Beast" von Mogwai, "Oceanic" von Isis, "Around the fur" von deftones...
Danke souli für die ausführliche Antwort!
"Effloresce" und "Homogenic" sind zweifellos legendäre Alben, mit denen ich auch meine Wände verschönern würde
Bei Tool bin ich eher im "Lateralus"-Team, hinsichtlich APF bei "Mer De Noms" aber "Thirteenth Step" und "Aenima" sind natürlich auch toll.
Trip Fontaine wird angehört.