Bildgewaltig. Klangvoll. Spektakulär. Jonas Akerlund dokumentiert die Live-Qualitäten der Berliner. Ein Konzertfilm ist "Rammstein: Paris" aber nicht.
Stuttgart (jae) - Wenn eine Band der Superlative einen neuen Kinofilm ankündigt, der nicht einmal zwei Jahre nach Erscheinen ihrer letzten Live-Dokumentation "Rammstein in Amerika" in die Kinos kommt und im dazugehörigen Pressetext zudem vom "bislang spektakulärsten Bilddokument über die derzeit größte deutsche Rock'n'Roll Band" und einem "Meisterwerk des Musikkinos" die Rede ist, entsteht natürlich eine Erwartungshaltung, die so groß ist, dass man kaum an ihre Erfüllung glaubt.
Tatsächlich aber ist "Rammstein: Paris" in der Tat ein großartiger Film geworden. Bildgewaltig. Klangvoll. Spektakulär. Die Band und ihr Regisseur Jonas Akerlund, der bereits mehrere Rammstein-Musikvideos gedreht hat ("Mann Gegen Mann", "Ich Tu Dir Weh", "Pussy", "Mein Land"), verkaufen sich sicher definitiv nicht unter Wert: Gedreht mit rund 30 Kameras an zwei aufeinanderfolgenden Abenden im März 2012, je 17.000 frenetisch jubelnde Fans im natürlich ausverkauften Palais Omnisports, 98 Minuten Gänsehaut pur.
Wer einen Konzert-Mitschnitt erwartet, wird enttäuscht
Aber wer bei "Rammstein: Paris" einen Konzert-Mitschnitt erwartet, wer hofft, in die denkwürdigen Abende der 'Made In Germany'-Tournee hineinversetzt zu werden und Live-Athmosphäre zu spüren, der wird enttäuscht.
"Rammstein: Paris" ist etwas anderes. Es ist kein Konzertfilm. Sondern ein Film über die Band bei ihrem Auftritt im Stadtteil Bercy. Es ist eine Art Dokumentation der Live-Qualitäten einer deutschen Ausnahme-Rockband.
Er bietet Details, Close-Ups, Zeitlupen. Er zeigt die filigrane Mimik des Sängers Till Lindemann und das ekstatische Gitarrenspiel Richard Kruspes. Der Film zeigt, wo Schlagzeuger Christoph Schneider mit seinem Stick die Snare trifft und wie Keyboarder Christian 'Flake' Lorenz mit verzerrtem Gesicht vor den Flammen der ausufernden Pyroshow flieht.
Das Publikum spielt dabei so gut wie keine Rolle. Manchmal wünscht man sich während der gut eineinhalb Stunden Spielzeit aber ein wenig Atmosphäre, ein wenig Interaktion zwischen den Menschen auf der Bühne und den Massen in der Arena. Nur ganz selten lässt Regisseur Akerlund die Stimmgewalt der Fans in seinem selbstbetitelten "Meisterwerk" zu.
34.000 Menschen verkommen zu Statisten
Stattdessen werden unnötige Bildeffekte eingefügt, und dass etwa die Gitarristen Richard Kruspe und Paul Landers nach einem der vielen harten Schnitte plötzlich an anderen Positionen stehen (das Filmmaterial wurde aus den Aufnahmen zweier Konzertabende zusammengefügt), schien den Schweden in seiner filmischen Aufarbeitung auch nicht zu stören. Die insgesamt 34.000 Menschen verkommen so zu Statisten in einem Musiktheater-Stück.
Zweifelsohne ist "Rammstein: Paris" ein sehenswerter Film, der für die Band in ihrer Entwicklung und Karriere logisch erscheint. Und wer sich für den Detailreichtum und die ganze Breite einer Rammstein-Show interessiert, wird bei den wenigen Kinovorführungen auch fündig werden. Aber der Film hat ebenso seine Schwächen. Und er erfüllt nicht jede der geweckten Erwartungen. Und darüber lässt sich bei einer Band wie Rammstein, gerade auch aufgrund ihres Selbstverständnisses, leider nicht hinwegsehen.
Tracklist:
- Sonne
- Wollt Ihr Das Bett In Flammen Sehen
- Keine Lust
- Asche Zu Asche
- Feuer Frei!
- Mutter
- Mein Teil
- Du Riechst So Gut
- Du Hast
- Bück Dich
- Mann Gegen Mann
- Ohne Dich
- Mein Herz Brennt
- Engel
- Pussy
- Frühling In Paris
5 Kommentare
Die haben Sehnsucht und Haifisch rausgeschnitten? Verbrechen.
Danke für den Review - da wird BluRay gar nicht erst gekauft.
Na ja, reine Live-Mischnitte gibt es ja schon zu genüge. Insofern ist ein etwas anderer Ansatz doch nicht so falsch.
"die filigrane Mimik des Sängers Till Lindemann" hat mich schon immer wahnsinnig beeindruckt! Muhahaha!!!
Über das Schnittfeuerwerk kann man sich streiten, mir gefällt's nicht sonderlich, aber das ist ja subjektiv. Was jedoch an dem Werk völlig daneben ist, ist der Sound. Dröhnender Bass, dafür keinerlei Mitten, der Gesang fast nicht zu hören. Gerade für eine derart perfektionistische Band wie Rammstein ist das eine Enttäuschung.