Platz 6: "Udo 70" (1969)
Ist "Wie könnt ich von dir gehen" nun ein Klassiker oder ein Kleinod? Der Song steht nicht an erster Stelle, wenn der Name Udo Jürgens fällt und doch gehörte er immer und immer wieder zu seinen am häufigsten gespielten Live-Stücken. Der spannende Aufbau ohne richtigen Refrain, aber von der zärtlich und hypnotisch wiederholten Frage "Wie könnt ich von dir gehen?" durchzogen, bricht mit den Erwartungen. Ganz im Gegensatz zum Text. Der ewige Wandervogel in Sachen Liebe spricht wieder einmal mit sich selbst, immer hin und her gerissen zwischen Sehnsucht und Gewissen, zwischen Partnerschaft und neuer Verliebtheit. Ein eindeutiger Klassiker dagegen ist der Partykracher "Anouschka", der mit osteuropäischer Folklore übers Parkett fegt, aber inhaltlich schlecht gealtert ist, schließlich versucht Udo hier, "seine Anouschka" unter anderem mit Alkohol gefügig zu machen. Zum Glück scheitert er am Ende, findet in Anouschka seine Meisterin und macht sich selbst zum Deppen. Alleine diese Wendung bewahrt den Song vorm Friedhof der kuscheligen Toxizität.
Weitere Höhepunkte sind das verletzlich-pathetische "Dann Kann Sein, Dass Ein Mann Auch Einmal Weint", immerhin ein kleiner Schritt im Kampf gegen den gesellschaftlichen Druck des Starkseins, und seine oft vertonte Leidenschaft zum Zirkus, dieses Mal als Liebeserklärung an alle Clowns ("Mein Freund, der Clown"). Udo spielt hier musikalisch mit dem Lampenfieber und dem Entladen der Spannung, wenn der Clown die Manege betritt. Der unfassbar gute Text, der die tragische Rolle des Narren in der Geschichte der Menschheit thematisiert, verbindet die guten Taten im Kleinen mit der Bedeutung für das große Ganze.
Klassiker: "Anouschka".
Kleinode: "Dann Kann Sein, Dass Ein Mann Auch Einmal Weint", "Wie könnt ich von dir gehen", "Mein Freund, der Clown".
Ausfälle: keine.
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