Nationaltrauer in der Schweiz: Der Sänger der einzigartigen Mundart-Band ist mit 66 Jahren gestorben.

Konstanz (mis) - Nationaltrauer in der Schweiz: Endo Anaconda, Sänger der Band Stiller Has, ist letzte Nacht im Alter von 66 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Dies gab die Facebook-Seite von Stiller Has heute bekannt.

Der als Andreas Flückiger geborene Anaconda galt in unserem Nachbarland als lebende Musiklegende, eine nationale Institution, als Udo Lindenberg der Schweiz. Mit seiner Mundart-Band aus Bern reüssierte er in den 1990er Jahren zu einer festen Größe, zunächst als Underground-Phänomen der verrauchten Clubs, später tatsächlich auch in kommerzieller Hinsicht. Dies war angesichts der äußerst kauzigen Art, mit der seine Band den Blues spielte, und Endo Anacondas eigenwilliger Textakrobatik nicht vorhersehbar. Im Gründungsjahr 1989 hatte die Band der Legende nach gerade mal vier Songs komponiert, die sie live selbstbewusst auf ein 90-Minuten-Programm streckte. Es sprach sich herum.

Nach dem frühen Tod des Vaters hatte die Mutter ihn mit in ihre Heimat Österreich genommen, was er als Verschleppung empfand. Nachdem er seine Jugend im katholischen Internat verbracht hatte, bekämpfte er Gefühle der Heimatlosigkeit mit Drogen und rutschte in ein Leben als Halbkrimineller, teilweise ohne festen Wohnsitz. Sein Blick auf die Schweiz war vertraut und distanziert zugleich.

Aus seinen Schwyzerdütsch-Texten lugte der detailverliebte Beobachter, der todesbetrübte Melancholiker und beseelte Romantiker. Anaconda hatte den Berufsweg als Musiker nie geplant und stand ihm mit der entsprechenden Distanz gegenüber: "Ich war immer ein Cowboy und habe die Rindviecher vor mir hergetrieben", lautet eines seiner vielen denkwürdigen Zitate. Ein anderes, aus dem Song "Toti Sigarette" von 2013 lautet: "Whisky, Coci, Wy u Bier / Es isch e verscherfti Party gsy". Endo Anaconda kannte sich aus mit dem Leben - und mit den Rauschmitteln.

Sein Image als Conferencier der Straße, immer mehr Kleinkunstbühne als Rockstar, blieb ihm bis zuletzt erhalten. Mit Mitte 50 verfiel er erneut Heroin und Alkohol, nachdem er wegen körperlicher Leiden Schmerzmittel einnehmen musste.

Seit 2017 lebte er komplett abstinent. Die aktuelle Tour diente als Abschied von der Bühne, Konzerte waren bis weit in den Herbst hinein geplant. 2020 erschien das zwölfte und letzte Stiller Has-Album "Pfadfinder". Dem Tagesanzeiger gab Anaconda in einem der letzten Interviews zu Protokoll: "Ich hänge sehr am Leben, weil mir die Alternative nicht sehr erstrebenswert erscheint. Ich möchte mittlerweile auch in den Himmel kommen - aber nur in einen Schweizer Himmel. Und ich hoffe, dass in zehn Jahren ein paar Junge über mich sagen: Die Musik war zwar scheiße, aber so zwei, drei Gedanken von ihm waren recht spannend.'"

Weiterlesen

2 Kommentare mit einer Antwort