"Mein Okay wurde nicht eingeholt", kommentiert der Popstar die "Do They Know It's Christmas"-Neuauflage. Bob Geldof greift zum Hörer.
Konstanz (kir) - Der Band Aid-Weihnachtsklassiker "Do They Know It's Christmas" feiert in diesem Jahr 40-jähriges Jubiläum. Erfolgsproduzent Trevor Horn plant zu diesem Anlass einen speziellen Release: Die Neuauflage des Popklassikers von 1984, der "2024 Ultimate Mix", der am 20. November veröffentlicht wird, vereint das Original mit den Versionen des Tracks von 2004 ("Band Aid 20") und 2014 ("Band Aid 30") bzw. die Stimmen der beteiligten Künstler:innen. Letztere, so scheint es, wussten nicht unbedingt von ihrem Glück.
"Ich hätte abgelehnt"
Wenn man ihn um Erlaubnis gefragt hätte, so etwa Ed Sheeran, der 2014 beteiligt war, hätte er "dankend abgelehnt", zitiert der NME. Sein Verständnis des Band Aid-Narrativs habe sich heute geändert. Sheeran reagierte in seiner Instagram-Story auf den britischen Rapper Fuse ODG. Was 1984 mit einem guten Grundgedanken seinen Anfang genommen habe, sei heute die Aufrechterhaltung eines schändlichen Stereotyps, urteilt der Rapper ghanaischer Abstammung über das einst von Bob Geldof und Midge Ure initiierte Projekt. Er habe eine Beteiligung deshalb schon vor zehn Jahren abgelehnt, das Projekt entmenschliche Afrikaner:innen und zerstöre im Namen der Wohltätigkeit ihren Stolz und ihre Identität.
In dem Beitrag spricht er außerdem vom 'White Saviour Complex', dem weißen Retterkomplex. Dieser sei eine gefährliche Sache, er bremse das Wirtschaftswachstum, den Tourismus und die Investitionen in Afrika aus. Afrikanische Probleme sollten vielmehr von Afrikaner:innen gelöst werden: "Es ist zwar jeder willkommen, der wirklich versucht, den Kontinent zu unterstützen, aber es muss ein Geist der Zusammenarbeit und nicht der Bevormundung herrschen, Solidarität und nicht Wohltätigkeit". Der Rapper nahm als Reaktion auch eigens einen Antwortsong mit dem Titel "We Know It's Christmas" auf.
Bob Geldof kontert Kritik
Bob Geldof soll mittlerweile in der Band Aid-Angelegenheit mit Ed Sheeran telefoniert haben, eine Lösung solle gefunden werden, schreibt der NME. Ob die Erlaubnis der anderen Künstler:innen, deren Stimmen auf der neu abgemischten Version zu hören sind, im Vorfeld eingeholt wurde, ist nicht bekannt.
Bereits Anfang des Jahres hatte Geldof in einem Video den Vorwurf, es handele sich bei Band Aid um einen 'White Saviour Complex' als "Blödsinn" bezeichnet. Vor einem Monat meldete er sich abermals zu Wort und argumentierte: "Dieser kleine Popsong hat Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen das Leben gerettet. Tatsächlich hat Band Aid gerade heute Hunderttausende von Pfund an Spenden generiert, um denjenigen zu helfen, die vor dem Massengemetzel im Sudan fliehen müssen, und auch genug Geld, um 8.000 Kinder in denselben Gebieten Äthiopiens wie 1984 zu ernähren. Die erschöpften Frauen, die nicht vergewaltigt und getötet wurden, und ihre in Panik geratenen Kinder sowie alle männlichen Personen über zehn Jahre, die die Massaker überlebt haben, und diese 8.000 Kinder aus Tigray werden heute Nacht dank dieser wunderbaren kleinen Aufnahme sicherer, wärmer und behütet schlafen. Wir wünschten, es wäre anders, aber es ist nicht so. Von wegen koloniale Klischees".
Nicht der erste Streit
Schon 2014 war dem Band Aid-Projekt eine kolonialistisch, westlich-zentrierte Sichtweise und herablassend stereotype Beschreibung Afrikas attestiert worden. Daraufhin wurden einzelne Textpassagen abgeändert, etwa die von U2-Sänger Bono vorgetragene Zeile "Well tonight thank God it's them instead of you". Der Schwerpunkt des Songs wurde zudem auf die Infektionskrankheit Ebola und nicht mehr den Hunger gelegt. Kritik hagelte es dennoch wieder.
"Westliche Wohltätigkeitslieder, wie das von Geldof vorgeschlagene, sind nicht nur herablassend, sondern auch überflüssig und unoriginell. Jetzt einen Ebola-Song zu produzieren, um Geld zu sammeln, fast ein Jahr nach dem ersten gemeldeten Fall in Guinea, ist bestenfalls verspätet. Es riecht nach dem 'weißen Retterkomplex', denn es negiert die Bemühungen vor Ort, die unternommen wurden", sagte damals etwa der liberianische Forscher Robtel Neajai Pailey.
1 Kommentar
Wenn man selbst nicht von Hunger, Gewalt, Verfolgung, Vergewaltigung, Krieg, Krankheit und was sonst noch betroffen ist, kann man sich leicht über (vermeintlich) weiße oder koloniale Überheblichkeit echauffieren. Ob man den tatsächlich betroffenen damit hilft, steht auf einem anderen Blatt.
Das soll nicht heißen, dass man alles unkritisch betrachten soll, nur weil ein vermeintlich soziales Label übergestülpt wird und es ist durchaus diskutabel, warum man hier einfach etwas recycelt und Textzeilen halbgar und ohne echte Not abwandelt, aber hier Geldof und Ure koloniale oder gar rassistisches Gedankengut zu unterstellen, ist dann doch absurd.