laut.de-Kritik

Die Wut weicht nur langsam der Melancholie.

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2013 war für Nick Cave und alle, die ihn mögen, ein triumphales Jahr. Erst erschien mit "Push The Sky Away" sein bestes Album im neuen Jahrtausend, dann folgte eine überzeugende Tour. Kurz vor Weihnachten kommt als krönender Abschluss die vorliegende Live-Aufnahme auf den Markt.

Entstanden am 18. April bei einer Radiosession in Los Angeles, zwischen zwei Auftritten beim Coachella-Festival, zeigt das Material den Australier und seine Mitstreiter in bester Verfassung. Sie stecken so voller Selbstbewusstsein, dass sie das Set ausgerechnet mit dem sperrigsten Stück des neuen Albums, "Higgs Boson Blues" beginnen.

Die erstaunliche Erkenntnis: Sorgten auf "Push The Sky Away" die Loops und elektronischen Geräusche von Warren Ellis für die morbide, entspannte Stimmung, reichte Caves Stimme hier im Prinzip alleine aus. Wie er, begleitet von lang gezogenen, schwerfälligen Akkorden von Ellis leicht ungestimmter Gitarre, das Lied ansetzt, ist ein Ohrenschmaus. Mit Martyn Casey am Bass, Jim Sclavunos am Schlagzeug und Barry Adamson an der Orgel gehen weitere Bad Seeds an den Start, doch letztendlich bleiben Cave und Ellis die Hauptakteure.

Auf den achteinhalb Minuten langen Opener folgen zunächst ein paar Oldies: die Klavierballade "Far From Me" (aus "The Boatman's Call", 1997), "Stranger Than Kindness" ("Your Funeral ... My Trial", 1986) und vor allem "Mercy Seat" ("Tender Prey" 1988), das Johnny Cash auf "American III: Solitary Man" meisterhaft interpretiert hatte.

Die Wut der Originalversion weicht auch hier der Melancholie. Fast könnte man meinen, es handle sich um eine Liebesballade statt um die letzten Augenblicke eines zum Tode Verurteilten. Das zeugt von der Souveränität, die Cave mittlerweile erreicht hat. Selbst als er auf "No More Shall We Part" (2001) in stimmliche Höhen vordringt, die eigentlich gar nicht zu ihm passen und die seine Stimme auch nicht hergibt, verliert er weder Würde noch Gelassenheit. Der Typ ist und bleibt einfach cool.

Wenn es einen Grund zu meckern gibt, dann, dass noch einige Songs mehr Platz gefunden hätten. Um so mehr drängt sich da die Vinyl-Version auf, die zusätzlich "Into My Arms" und "God Is In The House" (beide aus "The Boatman's Call") enthält. Doch auch so bleiben noch genügend gute Stücke: Mit "Wide Lovely Eyes", "Mermaids" und "Push The Sky Away" drei Lieder aus dem aktuellen Album, mit "People Ain't No Good" ein weiteres Stück aus "The Boatman's Call".

Ganz zu Schluss wird es unvermittelt gar alttestamentarisch. Plötzlich ertönt zu "Jack The Ripper" (aus "Henry's Dream", 1992) fieses Feedback. Es fehlte nur noch, dass Cave und seine Bad Seeds zum Schluss ihre Instrumente zertrümmern. "Hammer it, Jim", ruft Cave seinem Schlagzeuger zu, und fast fühlt man sich ins Jahr 1993 zurück versetzt, als mit "Live Seeds" der erste Bühnen-Mitschnitt der Band erschien.

Nur fast. Auf ihren vierten (offiziellen) Livealbum klingen Nick Cave & The Bad Seeds wesentlich gesetzter als damals, wenn auch nicht unbedingt angepasster. So kann es weitergehen.

Trackliste

  1. 1. Higgs Boson Blues
  2. 2. Far From Me
  3. 3. Stranger Than Kindness
  4. 4. The Mercy Seat
  5. 5. And No More Shall We Part
  6. 6. Wide Lovely Eyes
  7. 7. Mermaids
  8. 8. People Ain't No Good
  9. 9. Push the Sky Away
  10. 10. Jack The Ripper

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