laut.de-Kritik

Orpheus im Schlachthaus.

Review von

Mit "Get Ready For Love" machen Nick Cave und seine Bad Seeds ziemlich genau da weiter, wo sie auf der letzten Scheibe aufgehört hatten. Wie "Babe, I'm On Fire", der laute und hypnotisch kreisende Rock'n'Roll-Kracher, der "Nocturama" abschloss, besteht der Opener des nun vorliegenden Doppelalbums nur aus wenigen Akkorden, einer kurzen, eingängigen Strophe und einem noch kürzeren Mitsing-Refrain. Und wieder ist es vor allem der ungestüme, fast punkige Vortrag, der den Reiz des Stückes ausmacht.

Während "Get Ready For Love" flott auf der Stelle tritt, macht die folgende "Cannibal's Hymn" eine deutliche Entwicklung durch und erfährt in seinem Verlauf dank vollem Unisono aller Beteiligten und überraschender Wendung in den Lyrics eine massive dramatische Zuspitzung. Im weiteren Verlauf von "Abattoir Blues", dem ersten Teil der Doppel-CD, erklingen noch weitere schöne und anspruchsvoll aufgebaute Stücke wie etwa "Let The Bells Ring", die zwar nichts großartiges Neues zu bieten haben, aber immerhin auch kein Rückschritt sind.

An anderer Stelle vermisst man dann doch das anarchische Element früherer Einspielungen; war hierfür vielleicht doch der mittlerweile ausgestiegene Blixa Bargeld verantwortlich? Zwar zeigte Cave auch schon zuletzt eine gewisse Vorliebe für simple Gitarrenriffs, so flache und uninspirierte Langweiler wie "Hiding All Away" oder "There She Goes, My Beautiful World" hat er aber schon lange nicht mehr vorgelegt. Das sind nicht mehr als Lückenfüller, die den Sinn auch dieser aufgeblasenen Doppel-CD doch etwas in Frage stellen. Da bekommt der Album-Titel "Schlachthaus Blues" eine ungewollte Nebenbedeutung, gemeuchelt werden hier allenfalls Originalität und Einfallsreichtum.

Auch "The Lyre Of Orpheus", Nicks Reise in die Unterwelt, beginnt eher unspektakulär: der Titelsong, "Breathless", "Babe, You Turn Me On" und auch "Supernaturally" sind sicher keine schlechten Stücke, aber auch nicht viel mehr als Ware von der Stange, die alte Leier. Wieder hat man das Gefühl, als ruhe der Meister sich auf dem Erreichten aus, nicht ohne dabei eine gewisse Selbstzufriedenheit auszustrahlen. Erst danach kommt mit "Supernaturally" und "Spell" die Cave-typische, meist aus einfachen Dur- und Moll-Wechseln gebildete Melancholie ins Spiel.

Um Missverständnisse auszuschließen: "Abattoir Blues/The Lyre Of Orpheus" birgt gelungene Arrangements, schöne Klänge und eine überaus bilderreiche Sprache mit einer lyrischen Tiefe, die die meisten Popmusiker niemals erreichen werden. Nur sind eben bei Nick Cave die Erwartungen hoch. Wenn dieser Mann ein Doppel-Album mit so viel versprechendem Titel veröffentlicht, erwartet man mehr als Schlachthaus-Routine und einen Orpheus, der meist an der Oberfläche kratzt.

Trackliste

Abattoir Blues

  1. 1. Get Ready For Love
  2. 2. Cannibal's Hymn
  3. 3. Hiding All Away
  4. 4. Messiah Ward
  5. 5. There She Goes, My Beautiful World
  6. 6. Nature Boy
  7. 7. Abattoir Blues
  8. 8. Let The Bells Ring
  9. 9. Fable Of The Brown Ape

The Lyre Of Orpheus

  1. 1. The Lyre Of Orpheus
  2. 2. Breathless
  3. 3. Babe, You Turn Me On
  4. 4. Easy Money
  5. 5. Supernaturally
  6. 6. Spell
  7. 7. Carry Me
  8. 8. O Children

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6 Kommentare

  • Vor 20 Jahren

    Hallo zusammen,

    auf http://www.justmag.de/article209.html gibt es eine Besprechung zur aktuellen Nick Cave Platte zu lesen.

    Viel Spaß damit

  • Vor 20 Jahren

    muss mir erstmal die neue Platte mal anhören. Komme ich irgendwie nie zu aber soll ja nicht so tolle sein.
    Wobei ich kenne kaum nen Sänger der so eine gute Stimme hat und No More Shell We Part war absolut hammer.

  • Vor 20 Jahren

    ja, no more shall we part is ne götterscheibe, perfekt bis in die letzte note. die letzte von nick cave hat mir beim reinhören aber nicht so gefallen, die neue werd ich ebenfalls erstmal antesten.

  • Vor 20 Jahren

    die letzte von NICK Cave hat schon ein paar Schwachstellen, erschließt sich halt erst bei längerem Anhören...
    Ich denke mal, ich werd die neue demnächst kaufen...

  • Vor 20 Jahren

    "Nocturama" war eigentlich im Großen und Ganzen eine sehr gute Platte, "Abattoir Blues / The Lyre Of Orpheus" ist zwar keine schlechte Platte, aber für Nick Caves Ansprüche vielleicht etwas dünn. Die Platte macht zwar Spaß und erinnert an frühere Zeiten, wie auch schon "Babe, I'm On Fire" und "Dead Man In My Bed" von der "Nocturama", aber das was Nick Cave in den letzten Jahren so ausmachte, diese tief-melancholischen Balladen, fehlen leider.
    Wie hier schon gesagt wurde: ein zweites "No More Shall We Part" ist kaum erreichbar.

  • Vor 20 Jahren

    nur um das thema noch mal nach vorne zu holen, denn ich hab die Platte jetzt erst bekommen... :mad:
    Ich hab noch nie eine CD gehört, die mich so schnell in ihren Bann gezogen hat. Und ich denke es ist falsch jede Nick Cave Platte an No More Shall Me Part zu messen.
    Ich finde Abbatoir Blues/The Lyre Of Orpheus von vorne bis hinten genial, wobei mir Abbatoir Blues noch ein kleines Stück besser gefällt als The Lyre Of Orpheus.
    Jeder muss das Recht haben sich weiterentwickeln zu dürfen. Selbst Nick Cave.