laut.de-Kritik
Erlebnisreise durch satte 21 Jahre Bandgeschichte.
Review von Michael EdeleWenn das mal nicht Understatement par excellence ist. Jahrelang musste man entweder Unsummen für sämtliche Singles und Raritäten des Australiers und seiner Band ausgeben und/oder sämtliche Platten- und CD-Börsen absuchen, um ansatzweise mit den Veröffentlichungen das Herrn Cave mitzuhalten. Jetzt kramt der Mann so mir nichts, dir nichts in der Mottenkiste und bringt dabei einige Perlen ans Tageslicht.
Auf drei CDs verteilt, packt er die Songs in einen schlichten, schwarzen Pappschuber, lässt unauffällig sein Logo darauf pressen und wartet wahrscheinlich in aller Seelenruhe ab, wie viele Leute nichtsahnend an dieser Sammlung von Kostbarkeiten vorbei gehen, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Was geht in dem Mann nur vor? Ist das schon Wahnsinn mit Methode?
Was soll's, nun kann man als Fan in aller Ruhe schwelgen. Auch wenn man den einen oder anderen Schatz schon in seiner Truhe hütet, so nimmt man den doppelten Erwerb gern in Kauf. Verliert ja schließlich nichts von seinem Wert. Doch auch wenn man den Meister des düsteren Songwritings nicht vorbehaltlos verehrt, ist diese Kollektion ihr Geld wert.
Durch satte 21 Jahre Bandgeschichte führt die Retrospektive und konzentriert sich dabei ausschließlich auf Songs, an der The Bad Seeds beteiligt waren. Zwei Ausnahmen haben sich mit "God's Hotel" und "O'Malley's Bar" zwar in die Sammlung geschlichen, jedoch war das von der Band durchaus so beabsichtigt.
Die Reihenfolge der Stücke ist grob chronologisch gehalten, springt aber dann und wann hin und her, wenn Mick Harvey und Co. der Meinung waren, dass sie in dieser Reihenfolge besser harmonieren. So beginnt der Reigen mit akustischen Aufnahmen vom 90er Album "Tender Prey", die angenehmen Gospel-Flair versprühen. Erst dann erklingt mit "The Moon Is In The Gutter" die B-Seite der ersten Single des Elvis Presley-Covers "In The Ghetto".
Aber wie der Name der Box schon sagt, haben wir es hier nicht nur mit B-Sides von Singles zu tun, sondern auch mit einigen bisher unveröffentlichten Sachen ("Where The Wild Roses Grow" mit Blixa Bargeld an Stelle von Kylie Minogue, "Red Right Hand", "Sheep My Safely Graze" und "Opium Tea") und sehr rare Titel wie das wunderschöne "What Can I Give You" (das bisher nur auf einer französischen Give-Away-Promo drauf war) oder "Rye Whiskey" (von der beigelegten CD einer Ausgabe vom Reflex Magazine 1989).
So weit so gut, bisher sind das alles primär Liebhaber-Informationen. Doch natürlich steht das musikalische Werk im Vordergrund, und da kommt man nicht umhin zu bemerken, wie viele großartige Songs die Band geschrieben hat, ohne sie auf ihre offiziellen Veröffentlichungen zu packen.
Neben einfach nur tiefgehenden, souligen Balladen sind es vor allem skurrile Sachen wie das mit heftigem Text versehene "Scum", die Cohen-Coverversion "Tower Of Song" oder auch die blutrünstige "O'Malley's Bar"-Trilogie, die aufhorchen lassen. Man weiß wirklich nicht, wo man mit Empfehlungen und Anspieltipps anfangen oder aufhören soll.
"God's Hotel" ist einfach nur cool, die Akustikversion von "Jack The Ripper" der Hammer, die Alternative zum Hit "Where The Wild Roses Grow" kaum weniger gut, und die Liebeserklärung "Black Hair" als Band-Version auch nicht zu unterschätzen. Ich könnte hier noch beliebig fortfahren, aber die Moral von der Geschichte ist eh schon klar: kaufen!
Klar, es gibt auch ein paar Ausfälle wie "Cocks'n'Asses" oder "That's What Jazz Is To Me", aber das fällt bei der Fülle an guten Tracks kaum ins Gewicht. Schwerer wiegt da schon das praktisch nicht vorhandene Booklet, das die Sache letztendlich doch eine Nummer zu spartanisch macht. Hier hat man an der falschen Stelle gespart.
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