laut.de-Kritik
Nickel-Jeckyll versus Nickel-Hyde.
Review von Kai ButterweckDa ist sie wieder, die Band, die seit Jahren mit ihrem Songmaterial auf Pop-Partys für die U-20er-Generation ebenso punktet wie in derben Metal-Clubs, wo das Wort "Synthie" genauso gern gehört wird wie "Mineralwasser" auf einer Baustelle. Anno 2011 suchen die vier Kanadier abermals händeringend nach einer eigenen Identität.
Während man sich bei Songs wie "This Means War" oder "Midnight Queen" fühlt, als würde man den Überbrückungsklängen zwischen den Auftritten zweier etablierter Starkstrom-Kapellen auf dem Wacken-Festival lauschen, klingen Songs wie "Lullaby" oder "Trying Not To Love You" wiederum wie angezerrte Schmacht-Kollaborationen zwischen Reamonn und den Backstreet Boys. Da kommt es unweigerlich zu Irritationen beim Hörer.
Wie mag wohl der Proberaum des Ahorn-Quartetts ausschauen? Hängt auf der einen Seite der Starschnitt von Nick Carter an der Wand, während auf der anderen Seite der blutige Hammer vom "Kill Em All"-Cover auf dem Amp liegt? Die Jungs seien halt vielfältig, erzürnt sich bei derartigen Fragen schnell die Anhängerschaft.
Na klar, Nickelback kann man überall hören. Auf der Hochzeit, im Fahrstuhl oder auf Mallorca genauso wie auf einer Demo, einem Kuttenträger-Sit-In oder auch beim Zelten während des Wacken-Festivals. So ließe sich zumindest der Verkauf von mittlerweile über 50 Millionen Tonträgern erklären.
Das rechtfertigt natürlich noch lange keinen Verriss, denn eines muss man den Mannen um Sänger Chad Kroeger zugestehen: Was sie machen, machen sie auch richtig. Ein schleppender Kracher wie "Bottoms Up" hat beispielsweise alles, was ein zeitgemäßer Bombast-Rocker braucht, auch wenn die opulente Vielfachschicht-Produktion mit fortlaufender Dauer Grenzwerte erreicht. Die Gitarren schmettern, der Bass pumpt, und wenn sich dann im Refrain der ganze Verein in der Mitte trifft, knallt es schon ordentlich.
Auch Kroegers Stimme passt sich gerade beim Opener "This Means War", aber auch auf "Kiss It Goodbye" eindrucksvoll den metallischen Klängen an und grollt teilweise tiefer als je zuvor. Das sitzt, und da gibt es auch nichts zu meckern.
Ebenso erweist sich das Airplay-Material auf "Here And Now" als Ware vom Fach. Mit der ersten Single, dem Welt-Hilfeschrei "When We Stand Together", der Synthie-lastigen Ballade "Lullaby", dem fast identischen "Trying Not To Love You" und dem abschließenden Schunkler "Don't Ever Let It End" tummeln sich insgesamt vier schwergewichtige "Süffigkeiten", die im ziemlichen Klang-Kontrast zum Restmaterial auf "Here And Now" stehen. Jeder dieser vier Songs ist definitiv mit genug eingängigen Hooks und Harmonien behaftet, um die Top Ten-Listen gängiger Mainstream-Radiostationen im Sturm zu erobern.
Am Ende bleibt aber immer noch die Frage: Was will die Band eigentlich? Wie definiert sich letztlich ein derartiges Divergenz-Werk? Und: Ab wann stellt sich eigentlich die Authentizitäts-Frage?
Im Zweifel für den Angeklagten, soll doch auch für "Here And Now" gelten, auch wenn man bisweilen (man vergleiche nur "This Means War" mit "Lullaby") das Gefühl nicht loswird, es mit zwei völlig verschiedenen Bands zu tun zu haben.
13 Kommentare
Dem letzten Punkt kann man nur zustimmen. "Im Zweifel für den Angeklagten" gilt für mich allerdings nicht mehr. Meine Review dazu: http://klangkino.blogspot.com/2011/11/musi…
Als ob Nickelback jetzt die einzige Band auf der Welt wäre, die auf einem Album wie zwei verschiedene Bands klingt
Naja... man bekommt das, was man schon die letzten Jahren von ihnen zu hören bekommt.
Kann der Rezension nur zustimmen. Ich find die Hälfte der Songs immer gut bis ok, aber dann folgenden die Radiosongs -.-
Mir gefallen die ruhigen Nummern sogar besser als die härteren. Es gibt auch andere Gruppen, die gute harte Rockmusik machen, aber diese Radiopopsongs bekommt sonst kaume eine so hin.
Deshalb finde ich es unangemessen, dass in der Kritik Nickelback als Band ohne Identität hingestellt wird. Nickelback steht seit Jahren für soliden, berechenbaren Radiorock mit Mitsinggarantie. Wenn das mal keine Identität ist!
Unausgegorene Mischung aus feinstem Rock, netten Balladen und übelstem Mainstream-Quatsch.
"Hey, yeah, yeah, hey, yeah
We must stand together
Hey, yeah, yeah, hey, yeah
There's no giving in
Hey, yeah, yeah, hey, yeah
Hand in hand forever
Hey, yeah, yeah, hey, yeah
That's when we all win"