laut.de-Kritik
Nachts in Johnny Cashs Haus in Hendersonville ...
Review von Giuliano BenassiEs gibt sicherlich schlimmere Orte als Hendersonville, um Musik zu schreiben. In dem Vorort von Nashville wohnte Johnny Cash mit seiner Frau June Carter. Dort hatte er ein Studio, in dem er seine letzten Platten aufnahm. Der geräumige Pavillon am See, der im Kinostreifen "Walk The Line" zu sehen ist, brannte bei Renovierungsarbeiten 2007 leider bis auf die Grundmauern ab. Doch bleiben genügend andere Gebäude, in die man sich einmieten kann.
2011 ließ sich Winston Yellen in einem solchen nieder und arbeitete fast ein Jahr lang an seinem vorliegenden Debüt, das er in einem nahe gelegenen Studio aufgenommen hat. Der Pseudonym Night Beds "ist eher ironisch gemeint, aber viele Stücke sind tatsächlich nachts entstanden. Ich habe viel auf dem Bett gelegen, Musik gehört und geschrieben", erklärt Yellen. Wodurch auch der Titel "Country Sleep" Sinn macht. Und die verträumte Stimmung, die die Platte prägt.
Der kurze Opener kommt alleine mit Yellens hoher, ausdrucksvoller Stimme aus, bevor in "Ramona" zwei leicht verzerrte E-Gitarren und ein Schlagzeug für etwas Tempo sorgen. Immer wieder erinnert das Album an M Wards "End Of Amnesia", dem man ebenfalls anhört, dass es nachts entstanden ist. Yellen packt viel existentialistischen Schmerz in seine Stücke, ohne dabei weinerlich zu klingen. "Es gab Momente im Studio, in denen alle Anwesenden geheult haben", gibt er zu. Wenn man sich anhört, wie er in "Even If We Try" zu einer Geige singt, glaubt man ihm das sofort.
Country ist nicht heraus zu hören, zumindest nicht in seiner kommerziellen Ausprägung. "Der Country aus der alten Zeit ist sehr linear, sehr direkt. Die Lieder gehen unter die Haut. Als ich angefangen habe, Country und Delta-Blues aus den 30er bis 60er Jahren zu hören, habe ich unglaubliche Stücke für mich entdeckt. So roh, in einer gewissen Hinsicht so kaputt. Und einfach wunderschön", erklärt er.
So seien seine Vorbilder für dieses Album Altmeister wie Robert Johnson und Son House gewesen, auch wenn der Blues musikalisch nicht durchschlägt. "Country Sleep" ist eher ein Folk-Album mit sanften Indie-Tönen, das von seiner entwaffnenden Offenheit lebt. Wobei es durchaus über den Tellerrand schaut, etwa mit Drum'n'Bass-Elementen in "I Want You". Dabei ist das Stück, an dem Yellen am längsten gearbeitet hat und das ihm am meisten bedeutet, das einfachste: Auf dem abschließenden "TENN" begleitet er sich lediglich mit einer Akustikgitarre.
"Im Studio habe ich mir gesagt: 'OK, du hast die beschissensten Jobs gemacht, um diese Songs zu schreiben und aufzunehmen. Wenn du dich nicht voll reinhängst, dann war das alles nur Zeitverschwendung'" erklärt Yellen. Sein Engagement hat sich ausgezahlt. Zumindest in musikalischer Hinsicht.
3 Kommentare
ich werde ein öhrchen riskieren. aber ich fürchte, das ist nicht DEGENERIERT und ENTARTET genug um zünftige country musik zu sein
Finde ihn auf jeden Fall ergreifender als Bon Iver, mit dem er ja oefter mal verglichen wird. Die weinerlichen Momente halten sich wirklich in Grenzen, was ich schade finde - ich mag weinerliche und hoehere Stimmen in dem Genre genauso sehr wie die ganz tiefen.
Könnte was für mich sein. Bon Iver klingt mir zu sehr nach den alten Coldplay.