laut.de-Kritik
Die Amis spalten Schädel und Haare.
Review von Yan TemminghoffDie Hobby-Ägyptologen und Haudrauf-Experten Nile treiben es auf die Pyramiden-Spitze und kredenzen eine vorzügliche Schlachtplatte, die selbst Osiris und Anubis das Fürchten lehrt. Album Nr. 10 trägt den vielversprechenden Namen "The Underworld Awaits Us All" und fährt von kurzen Thrash-/Black Metal-Harken ("To Strike with Secret Fang") über atmosphärische wie perkussive Zwischenspiele ("The Pentagrammathion Of Nephren-Ka" und am Ende von "Under The Curse Of The One God") bis zum epischen Death Metal-Hochamt ("True Gods Of The Desert") alles auf, was das schwarze Herz begehrt.
Dabei hat Bandchef Karl Sanders noch zwei weitere Grunzer und Gitarreros sowie Gospel-Sängerinnen an seiner Seite, was den Abwechslungsreichtum des technisch anspruchsvollen Extrem Metals weiter steigert. Produzent Mark Lewis (Dying Fetus, Whitechapel, The Black Dahlia Murder) verfügt aufgrund seiner Referenzen und der Arbeit am Vorgänger "Vile Nilotic Rites" über ausreichend Stallgeruch und setzt das Album sowohl mit feiner Klinge als auch mit Hackebeil in Szene. Wer zu Obscura Fahrrad fährt und beim Gurgeln Death hört, ist bei Nile genau richtig.
Für die Textverständlichkeit sind zwingend die Lyrics in Schriftform erforderlich. Der Dreiklang aus Grunzen, Kreischen, Keifen hört sich sonst an wie der Nachbarshund beim Haus bewachen. Taucht man hingegen ein in die schillernden Texte von Nile, fächert sich ein Delta an Anspielungen der ägyptischen Historie und Mythologie auf. Dabei war Oberhaupt Sanders noch niemals in Ägypten und bezieht seine Informationen allesamt aus zweiter Hand. Der schwer in einem Atemzug zu lesende Songtitel "Chapter for Not Being Hung Upside Down On A Stake In The Underworld and Made To Eat Feces By The Four Apes" zieht seine Inspiration aus dem 181. Kapitel des ägyptischen Totenbuches.
Musikalisch agieren Nile schnell und rasant wie Punk sowie vertrackt und verspielt wie Prog. Die Amis spalten gleichzeitig Schädel und Haare. Dabei halten die Tech Death-Experten ihre Extravaganzen mit sorgsam eingestreuten Hooks und Headbanging-Passagen im Zaum. In "Stelae Of Vultures" kreisen die Geier wie die Köpfe. Gerahmt wird der Track von einem majestätischen wie einfachen Riff wie es einst Metallica mit "For Whom The Bell Tolls" etabliert haben. In
"Nagada II Enter The Golden Age" sattelt Drummer George Kollias die apokalyptischen Reiter und galoppiert im Blast Beat-Tempo halsbrecherisch der Dämmerung entgegen, während als Kontrapunkt eine simple Harmonie erklingt, die zunächst die Soli unterfüttert und dann die Gospel-Sängerinnen ihren Reigen vollführen lässt. Der epische Titelsong beginnt in der ersten Minute mit einem Riff-Feuerwerk, das sowohl im Doom- wie im Thrash- als auch im Djent-Kontext zur Champions League gehört. In den folgenden acht Minuten kulminieren die Elemente, die diese Platte faszinierend gestalten.
Im abschließenden Instrumental "Lament For The Destruction Of Time" schiebt die Band den Grabstein vor die Totenkammer. Die Verdoomung durchbricht einzig ein auf Vokalisen basierender Klagegesang. Beim Barte von Ramses: Was hinter der Krachfassade steckt ist ein beeindruckendes Tondokument, das sämtliche Facetten und Phasen von Nile zur Geltung bringt.
4 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 3 Monaten durch den Autor entfernt.
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Is jut jeworden, dat Mopped!
warum wird idr düstere musik besser bewertet als fröhliche?