laut.de-Kritik

So viel Qualität auf einer Scheibe hält doch kein Mensch aus!

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"Hammeralbum", war nach dem ersten Hören mein Resümee. "Zu lang" mein zweiter Gedanke. Inwieweit man einem Hammeralbum eine Überlänge als negativen Kritikpunkt anlasten kann, sei dahin gestellt. Fest steht auch nach mehrmaligem, intensivem Hören: Mir geht regelmäßig ab Song 14 und nach einer Spielzeit von 55 Minuten die Puste aus. So viel Qualität auf einer Scheibe hält doch kein Mensch so lange aus!

Eigenständiger kann eine junge Künstlerin nicht klingen. Mit einer Mixtur aus Soul, Reggae, Hip Hop und Singer/Songwriter präsentiert sich Nneka als reife Künstlerin. "No Longer At Ease" zeigt sie als Akustik-Soul-Sängerin, die auf Augenhöhe mit Erykah Badu, Lauryn Hill, Asa und India.Arie agiert.

Mit dem grandiosen Opener "Death" begeistert sie ab dem ersten Geräusch, einer knarzigen Synthie-Fläche. Die sich daraus entwickelnden 65 Minuten wollen und können den Reggae-Background nicht verbergen, zwinkern jedoch deutlich in Richtung Pop. Für Nneka ist das keine kommerzielle sondern eine stilistische Frage. Denn egal was sie tut, stets ist es ihr eigenes Ding, das sie uns da um die Ohren garnt.

"No Longer At Ease" produzierte die 28-Jährige mit ihrem langjährigen musikalischen Partner DJ Farhot, der sich den französischen Pultmeister Jean Lamont (Salif Keita, Noir Desir) zur Seite stellt. Gemeinsam zimmern sie Nneka einen sagenhaft kuscheligen Sound auf den Leib. In dem fühlt sich die Protagonistin offensichtlich so sicher und aufgehoben, dass sie ihrer Kreativkraft freien Lauf lässt.

Das kommt bereits auf der (Vorab-)Single "Heartbeat" deutlich zum Vorschein. Selbstbewusst nutzt Nneka darauf die Chancen, die das musikalische Erbe des Jungle zur Verfügung stellt. Denn eins muss man dem Drum'n'Bass lassen: Er hat die rhythmischen Möglichkeiten des popmusikalisch Machbaren um eine gewaltige Dimension bereichert. Auch durch das anfänglich Rhythm'n'Blues-inspirierte "Mind Vs. Heart" prescht gegen Ende ein exzellentes Rhythmusgewitter.

Songorientiert lässt "Something To Say" die Speaker im Offbeat vibrieren, während das Gitarrenlick auf "Gypsy" so dermaßen weit hinter dem Metrum liegt, dass sich (beim ersten Hören) die Frage aufdrängt: Laid Back oder schlicht falsch? Natürlich gibt es nur eine Antwort: Der Song groovt wie Seuche, obwohl der Beat eine tonnenschwere Last zu schleppen scheint. Vielleicht wird "Gypsy" im Beipackzettel deshalb als "düsteres Hip Hop Gewebe" beworben.

Den Hip Hop-Hintergrund Nnekas hört man auf dem folgenden "Halfcast" bei weitem deutlicher. "Halfcast" und "Focus" verdeutlichen, warum Nneka immer wieder den Vergleich mit Lauryn Hill antreten darf. Auf "Halfcast" kommen Nnekas Raps mit dermaßen überzeugender Street Credibility um die Ecke, dass die kreativen Sound-Gimmicks, die Low Fi-Samples und das experimentelle Arrangement zum Beiwerk verkommen. "Focus" geht kompositorisch einen komplett anderen Weg. Sein smoother Flow wird in regelmäßigen Abständen vom refrainprägenden Gitarrenriff attackiert, und es setzt umfängliche Überzeugung voraus, eine potentielle Single als vierzehnten Song zu platzieren.

Auf "No Longer At Ease" thematisiert Nneka noch ehrlicher als auf "Victim Of Truth" die Geschichte Afrikas, und damit auch ihre eigene Historie. Deshalb liegen ihr die Texte der sechzehn Songs sehr am Herzen. Sie erzählen, "wie das Leben hier pulsiert, das multi-kulturelle Nebeneinander, die Kluft zwischen Arm und Reich, die Umweltzerstörung und Umweltverschmutzung ... ", kommentiert die aus Nigeria stammende Nneka Egbuna.

Ohne erhobenen Zeigefinger, statt dessen mit einer ordentlichen Portion lebensbejahender Gestaltungskraft, findet sie in ihrer Musik eine Waffe im Kampf gegen die Missstände dieser Erde. Denn "die menschliche Stimme unterscheidet sich von anderen Geräuschen, selbst wenn sie nur ein Flüstern ist. Selbst eine flüsternde Stimme kann ganze Armeen übertönen, wenn sie die Wahrheit spricht." Entsprechend mächtig ist "No Longer At Ease".

Trackliste

  1. 1. Death
  2. 2. Heartbeat
  3. 3. Mind Vs. Heart
  4. 4. Walking
  5. 5. Suffri
  6. 6. Come With Me
  7. 7. Gypsy
  8. 8. Halfcast
  9. 9. Something To Say
  10. 10. Streets Lack Love
  11. 11. Niger Delta
  12. 12. From Africa 2 U
  13. 13. Running Away
  14. 14. Focus
  15. 15. Kangpe
  16. 16. Deadly Combination

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