laut.de-Kritik

Rap-Mosaik aus dem Bauch heraus.

Review von

Nach dem, was OG Keemo und Funkvater Frank vor zwei Jahren mit "Mann Beißt Hund" abgeliefert haben, fragt man sich, was noch folgen kann. Das Konzeptwerk gilt als eines der besten Rap-Alben in Deutschland - was kommt als nächstes?

"Genau das Gegenteil", heißt es im Gespräch mit Keemo und Funkvater Frank. Kein ineinander verwobenes Storytelling, kein Druck, eine Befreiung von der Verkopftheit, losgelöst vom Konzept. Es geht darum, alles aus dem Moment und dem Gefühl entstehen zu lassen. Das Ergebnis ist ein Mixtape, auf dem alles erlaubt ist und nichts ausgefeilt oder geplant wirkt - abgesehen von der wieder meisterhaften Produktion von Funkvater Frank, der die Dualität von jazzig-souligen Sample-Tricksereien, die an The Alchemist erinnern, und wuchtigen Trapbangern demonstriert.

Die ersten Tracks geben einen Vorgeschmack auf die Seele des Albums: Auf "Konsil Intro" ertönt ein harmonischer Sample-Loop, tiefer Bass und Soundfetzen eines klingelnden Telefons und einer hustenden Frau. Auf "Tasche" folgt ein dunkler, pulsierender Beat, und Keemo steigt mit Bars ein, die das ganze Album dominieren. Es geht um Geld in allen möglichen Formen und Ausprägungen, um Luxus, Frauen, Warnschüsse und Punchlines - also zurück zu den Grundwerkzeugen und Basics des Rap, oberflächlich und frech, aber mit Keemo-Twist, denn jede Zeile klingt durchdacht und verzwickt. Dazwischen immer wieder Realtalk und ernste Töne "Ich war überall drin, außer in 'nem Schutzprogramm / Meine Vorväter kamen mit Rucksack aus dem Mutterland / Und ihr Erbe riecht ein Fuffi und zieht schwarze Hoodies an".

Genauso gekonnt wie auf der Vorabsingle "Torshavn" flext Keemo auch auf der entspannten Boombap-Soul-Produktion "Fiesling", auf der auf die Prahlerei "Bitch ich mach fünf Hunnis zu fünf Tauis, geh raus und verhau die Summer wieder" eine Line für Basketball-Fans folgt "Plus ich mach mehr Riesen als die Mutter der Antetokounmpo Brüder". Jazz- und Souleinflüsse erklingen auch auf "Aus Dem Schneider Freestyle" mitsamt West-Coast Feeling. Im Kontrast zu den gelassenen, Sample-lastigen Tracks geht es auf dem Mixtape auch deutlich fieser und härter zu. Der Titeltrack "Fieber", die tief gepitchte Stimme über dem bedrohlichen Beat von "Galgen" oder der kurze, aber ohrenbetäubende Wutausbruch auf "Boiler". Auf dem Mixtape ist alles erlaubt.

Auffallend an dem Mixtape sind vor allem die vielen Features, die zwar für Überraschungen sorgen, aber nicht an das harmonische, alternative Flow-Duett zwischen Levin Liam und Keemo auf "Bee Gees" heranreichen. Die Features geben dem Mixtape Luft, lockern das Gewächs von Keemos dichten Punchlines auf, aber selbst die bekanntesten Namen stehen neben Keemos Delivery mit leeren Händen da.

Nachdem Keemo im scharfkantigen Track "99 Grad" regelrecht gewütet hat, liefert RIN den krönenden Abschluss eines nichtssagenden Parts. Ähnlich langweilig cruist Shindy auf "Pimpsport" herum, bei dem man das Gefühl hat, dass er doch wieder in seinem bekannten Metier unterwegs ist, nämlich pseudo-romantischer Golddigger-Musik: "Ja ich gebe Geld aus und das turnt sie an / Ich stand bei McDonalds, wusste irgendwann / Rock' ich Jesus-Pieces in der Größe von nem Burger-Bun". Dafür gibt es ein solides Solo von Cgoon auf dem hüpfenden Vocal-Loop-Track "Tiefschlaf" und eine unheimlich gute UK-Deutsch-Rap-Fusion auf "Guten Tag", bei der PS Hitsquad und Keemo trotz sprachlicher Unterschiede in ihrer Energie eins sind.

Auf "3 Ringe Outro" wird es zum Schluss noch mal einmal ernst und Keemo, der für seine reflektierenden Schlussworte bekannt ist, spricht recht ausführlich über seine aktuelle Position in seiner Karriere, seine Musik und das Mixtape: "Wieso ist das Tape nicht deep, das ist wie ein Reboot / Ich muss wieder lernen, wie man Musik liebt / Und obwohl ich nur von Tasche und Sloppys prahl' / Werden die sich in der Woche, wo ich droppe, trotzdem fragen, was es zu bedeuten hat / Ich hatte Fieber, 99 Grad, und wollte dasselbe fühlen, als es noch ein Hobby war".

Im Outro klingt es beinahe so, als rechtfertige sich Keemo für die Richtung, die das Mixtape einschlägt, doch fügt hinzu "Ich mach das lang genug, ich hab genug von Humbleness / Es nicht allen recht zu machen, ist der Preis, den ich doppelt zahl". "Fieber" verinnerlicht genau diese Einstellung. OG Keemo und Funkvater Frank klammern sich nicht an alte Erfolge oder bewährte Konzepte, man hört, dass alles aus dem Moment heraus entstanden ist, dass es um das Gefühl und den Spaß an der Musik geht. Und das überträgt sich auch auf das Hörerlebnis, auch wenn man sich an manchen Stellen wünscht, der Track würde länger als ein bis zwei Minuten dauern, oder die Parts der großen Features vergleichsweise schwach klingen.

Trackliste

  1. 1. Konsil Intro
  2. 2. Tasche (feat. Souly)
  3. 3. Fiesling
  4. 4. OKAY! (feat. 2lade)
  5. 5. Pimpsport Interlude
  6. 6. Fieber Dørm Skit
  7. 7. Torshavn
  8. 8. Bee Gees (feat. Levin Liam)
  9. 9. 99 Grad (feat. RIN)
  10. 10. Fieber
  11. 11. Galgen
  12. 12. Guten Tag (feat. PS Hitsquad)
  13. 13. Tiefschlaf (feat. Cgoon)
  14. 14. Aus Dem Schneider Freestyle
  15. 15. Pimpsport (feat. Shindy & Sumpa)
  16. 16. Boiler
  17. 17. Fieber Dørm 2 Skit
  18. 18. Süden
  19. 19. 3 Ringe Outro

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