laut.de-Kritik

Ihr bislang psychedelischstes Album.

Review von

Die Veröffentlichung eines Oasisalbums ist auch 13 Jahre nach "What's The Story" noch ein Ereignis. Folglich ist das Trara um "Dig Out Your Soul", dem mittlerweile siebten Studioalbum der Briten, riesengroß. Nach erstem Durchhören wird schnell klar, dass sich der neueste Wurf irgendwo zwischen genialem Mittneunziger-Output und dem verkoksten, etwas peinlichen "Be Here Now" einordnen lässt.

Laut Haupt-Songwriter Noel hätten sich die Aufnahmen noch nie so einfach gestaltet. Das Einspielen in den legendären Abbey Road-Studios sei sehr diszipliniert gewesen. Sind die wilden Zeiten vorbei? Wurden aus den Rabauken mit passender Attitüde ruhige Familienväter? Und vor allem: Wie hat sich das auf das Songwriting ausgewirkt?

Noch immer schmeckt die Musik nach Gin-Tonic und Bier. Noch immer riecht sie nach verrauchten Rock'n'Roll-Clubs, noch immer hört man sie am liebsten vor dem Weggehen und so laut wie möglich, um dann aufgedreht durch die Nacht zu schweifen. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Schaut man sich das Artwork des Albums an, scheinen sich die Gallagher-Brüder plus Gem und Andy heuer jedoch eher für psychedelische Pilze anstelle grüner Kokablätter zu interessieren. Wie eine Hippie-Patchwork-Zeichnung wirken die bunt zusammengewürfelten Bilder mit Atompilz, großer Welle und Schmetterlingen auf dem Cover.

Tatsächlich ist "Dig Out Your Soul" das bis jetzt psychedelischste Album von Oasis. Es klingt zwischendurch wie eine Kreuzung zwischen Stones, den Beatles und einer Prise Pink Floyd. Diese Mischung gipfelt in dem von Gem komponierten "To Be Where There's Life".

Zunächst macht "Bag It Up" allerdings den bodenständigen Beginn. Bereits nach einmaligem Hören bleiben die Melodien im Kopf haften. Die Gitarren schrauben straight durch, das Lied wirkt mit seiner sympathischen Großkotzigkeit überladen. Liam presst die Textzeilen gewohnt rau durch seine Lippen: "Someone tell me I'm dreaming / The freaks are rising up through the floor/ Everything I believe in /Is telling me that I want more, more, more".

Bereits "The Turning" nimmt anschließend Tempo aus der Platte. Pianoklänge mischen sich mit einem dezent treibenden Schlagzeugbeat. Bei "Waiting For The Rapture" darf Noel ans Mikro, um zum obligaten Oasis-Bombast-Gitarrenheulen ein wenig zu schmachten.

Warum ausgerechnet "The Shock of the Lightning" als erste Singleauskopplung gewählt wurde, ist übrigens schleierhaft - Stadionrock gepaart mit einem der schlechtesten Oasis-Refrains ever: "Love is a time machine / Up on the silver screen / It's all in my mind / Love is a litany / A magical mystery".

Gleich darauf folgt jedoch mit "I'm Outta Time" eines der feinfühligsten Stücke, die Liam jemals geschrieben hat. Dass hier die Beatles als Vorlage dienten, ist nicht nur musikalisch zu hören. Als Hommage an John Lennon hört man die Stimme des Beatles-Kopfs. Im Hintergrund begleitet Liam ruhig das Klavier, während wir verzaubert in eine Supernova schauen.

Auch bei "Ain't Got Nothing" und "Soldier On" führte der kleine Bruder die Songwriter-Feder. Erstgenannter Song wirkt überladen und überschichtet, der zweite wabert psychedelisch vor sich hin und lässt Liam scheint zwischen Gitarrenrauschen und Gefiepe verschwinden. Die Finger besser ganz vom Songschreiben lassen sollte in Zukunft Andy Bell. Sein "Nature of Reality" fällt mit einem furchtbaren Gitarrenriff völlig aus dem Rahmen.

Insgesamt ist "Dig Out Your Soul" sicher kein ganz großer Wurf, hat aber mit "Bag It Out", "Falling Down" und "I'm Outta Time" eine Reihe Hits im Gepäck. Man darf also weiter gespannt sein, welche Droge die nächste Oasis-Platte begleitet.

Trackliste

  1. 1. Bag It Up
  2. 2. The Turning
  3. 3. Waiting For The Rapture
  4. 4. The Shock Of The Lightning
  5. 5. I'm Outta Time
  6. 6. (Get Off Your) High Horse Lady
  7. 7. Falling Down
  8. 8. To Be Where There's Life
  9. 9. Ain't Got Nothin'
  10. 10. The Nature Of Reality
  11. 11. Soldier On

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Oasis

Von Anfang an wollen Oasis gewusst haben, dass sie keine alltägliche Erscheinung sind. 1991, Noel Gallagher ist gerade als Gitarrentechniker für die …

111 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Die Platte ist leider eher langweilig...

  • Vor 14 Jahren

    :rayed:

    musste das album letztens wieder rauskramen. wegen "falling down". für meine begriffe der beste song der platte.

  • Vor 14 Jahren

    Wegen "Falling Down", das ja auch ein verdammt schöner Ohrwurm ist und zur Zeit das beste ist, was im Radio so gespielt wird, hab ich der Platte mal ´ne Chance gegeben und ich wurde nicht enttäuscht. Von den Oasis- Alben ist es sicherlich nicht das beste Werk, aber eines der interessantesten und spannendsten, dass dem Wort Gesamtkunstwerk eher gerecht wird, als eine Aneinanderreihung von großartigen Songs. Ich find gerade gut, dass die leicht psychedelische Grundstimmung von Anfang bis Ende widerzufinden ist. Solange die grandiosen, zeitlosen Melodien bleiben, ist die Welt für mich noch in Ordnung und die gibt´s hier in Hülle und Fülle. Tausendmal besser, frischer, spannender als das was Coldplay, Keane, Snow Patrol, The Kooks, Libertines, Babyshambles etc. veröffentlichen. Ich bin absolut begeistert. Oasis sind nach wie immer noch verdammt cool!