laut.de-Kritik
Urbi et Obituary! Amen!
Review von Yan TemminghoffPolternde Drums und sägende Riffs, Growls aus der Gruft und ein Tinnitus nach erfolgter Beschallung; kaum eine Death Metal-Band beherrscht den Schlag in die Magengrube bei gleichzeitiger Backpfeifen-Behandlung so perfekt wie das Abrisskommando von Obituary. Gewohnt Groove-lastig agiert das Quintett um die Gebrüder Tardy (John, Vox; Donald, Drums) somit in Abgrenzung zu technisch-orientierten Genre-Vertretern wie Cannibal Corpse.
"Dying Of Everything" ist der passende Titel für diese herrlich mundende Schlachtplatte, auf der das martialisch-schleppende "My Will To Live", der mit reichlich Slayer-Zitaten gespickte Opener "Barely Alive" oder das fast schon Ohrwurmtaugliche "The Wrong Time" herausstechen.
Die Platte erscheint am Freitag den 13. Ein Umstand, der Marketing-technisch Sinn ergibt. Tod, Terror und Teufel und die Sichtweise, dass Menschen im Großen und Ganzen grausame Geschöpfe sind, geben schon immer die perfekte Hintergrund-Folie für Todesblei-Themen ab. Urbi et Obituary. Amen! Obituary liefern die Backroundmusik, zu der Rüstungsexperte Anton Hofrrreiter mit grimmigem Blick Waffengattungen aufzählt.
Das schlicht und vielsagend betitelte "War" folgt der Devise 'War is my shepperd' und wahrlich: es kracht, brummt und scheppert. Der kurze Akustik-Breakdown dient nur dem Luftholen, bevor die Walze weiter rollt. Das Dur-zugewandte Riff zu "The Wrong Time" beweist, dass in Florida oft die Sonne scheint, wobei die Harmonien durch den klanglichen Fleischwolf gedreht sind und böse und brutal klingen.
Die Produktion - im Tardy eigenen Redneck-Studio eingeprügelt - klingt wie eine Live-Darbietung aus einer Schlauchförmigen, ungedämmten Lokation - räudig, charmant und puristisch, nix für Perfektionisten. "Without A Conscience" lebt von seinem Groove, der durchaus einer Crossover-Kapelle gut zu Gesicht stünde und in jeder Metal-Disco für volle Tanzflächen sorgt.
Die Prügelknaben beschwören mit "Be Warned" eine Klangkulisse herauf, in der selbst die Melodie zu "Hänschen Klein" wie das Wehklagen aus den Höllenkreisen in Dantes Inferno klingt. Musikalisch lässt "Be Warned" den Hammer Of Doom kreisen, als hätte Candlemass-Chef Leif Edling gemeinsam mit dem längst verblichenen Death-Mastermind Chuck Schuldiner gemeinsame Sache gemacht.
Obituary legen nach ihrem selbstbestitelten Album mit "Dying Of Everything" im Vergleich zu "Obitiary" und "Inked By Blood" noch mal eine Schippe drauf. Totgesagte leben länger. Verglichen mit den humoristischen Comic-Videos zu "Violence" und "Ten Thousand Ways To Die" orientiert das Ami-Quintett die visuellen Gestaltung deutlich näher am Genre-Styleguide.
Der polnische Künstler Mariusz Lewandowski starb 2022 unerwartet und lieferte mit dem Artwork zu "Dying Of Everything" seine letzte Arbeit ab. Die warme Farbgebung und die impressionistische Bildkomposition werden bei den ersten Klängen von "Dying Of Everything" ins richtige Licht gerückt oder besser ausgedrückt in die Dunkelheit gezogen.
4 Kommentare mit einer Antwort
Ich werde es mal antesten.
Ein Veto muss ich erheben: "Gewohnt Groove-lastig agiert das Quintett um die Gebrüder Tardy (John, Vox; Donald, Drums) somit in Abgrenzung zu technisch-orientierten Genre-Vertretern wie Cannibal Corpse." Seit wann sind denn Cannibal Corpse "technisch-orientiertere Vertreter" von Death Metal? Stünde da Dying Fetus oder Suffocation, alles klar. Cannibal Corpse sind eher die gleiche Groove-lastige Liga wie Obituary.
Cannibal Corpse sind eigentlich so ziemlich das Musterbeispiel dafür, wie man technischen Anspruch, Groove und Eingängigkeit kombiniert. Das gilt auch schon für "Tomb of the Mutilated" und "Butchered At Birth". Einfach noch mal hören, ansonsten Ohrenarzt besuchen.
Schönes Ding
Beste Obi seit Frozen in Time
Geiler Scheiss.