laut.de-Kritik

Top! Nur live eben noch topper.

Review von

Manchmal muss es sich wie die Pest am Arsch anfühlen, einen höllisch guten Live-Act abzugeben. Die Ohrbooten können davon vermutlich längst das eine oder andere Liedchen singen. Seit Jahren tönt die Klage über ihre Alben immer gleich: aus der Konserve lange nicht so gut wie auf der Bühne. Ein Vorwurf, der auch 2013 noch greift.

Aber, hey: Mit dem Hauptkritikpunkt, live einfach zu gut zu sein, sollte es sich als Band eigentlich einigermaßen leben lassen. Viel mehr lässt sich an dem neuen Ohrbooten-Törn nämlich wirklich nicht aussetzen. Vom ersten Takt an zeigen die Berliner vollen Einsatz. Seinem Titel entsprechend keimt ihr "Urwald" in feuchtschwüler Atmosphäre auf schwerem, erdigen Groove und erobert sich langsamen, aber stetig und unaufhaltsam wachsend, die Großstadt zurück.

Ihre Berliner Wurzeln können die Ohrbooten nicht verhehlen, und versuchen das ja auch gar nicht erst. Auch wenn sie ihre Hauptstadt-Schnauze mal mehr, mal weniger offen zur Schau tragen: Statt für das Blatt vor dem Mund entscheiden sich die Herren inhaltlich jederzeit lieber für die schonungslose rechte Gerade direkt aufs Maul. Zweifellos ein "Dreckiger Job", aber irgendjemand muss die drängenden Fragen unserer Zeit schließlich stellen.

"Wer hat vergessen, die ganzen Models zu füttern?" Dancehall- und Elektro-Vibes fönen die verhungerten Kleiderständer ohne Schwierigkeiten vom Catwalk. "Wo sind die Punks? Wo sind die Freaks? Wo sind die ganzen Asis in meinem Kiez?", rätselt "Punk Is Dad", angesichts bedenklicher Stadtteil-Entwicklungen mit genau der angemessenen Ska-Punk-Rotzigkeit. "Allet nice, allet easy", ringen sie dagegen im schunkelnden Reggae-Tune mit blubberndem Bass und blechernen Drums selbst der "Krise" eine positive Seite ab: "Alle sind jetzt Unterschicht, also tanz, wenn du mit mir unten bist."

Sozial- und Gesellschaftskritik: "Schon OK", so lange der Zeigefinger unten bleibt. Um wie unangenehm gutmenschelnde Pädagogen zu erscheinen, strahlen die Berliner schlicht zu viel anarchische Energie und Lebensfreude aus. Getreu dem Motto "Alles Für Alle" teilen sie mit vollen Händen aus. Reggae, Ragga, Ska, Elektro, Dubstep, Punk - von allem ein bisschen passt prima in die Mixtur, die selbst Roboter auf die Tanzfläche lockt.

Mit "Zwei Joints" in der Rübe kann man sich die "36 Grad" dazu dann auch locker zusammen-wunschträumen, erst recht, wenn die Definition der Zahl zwei weite Spielräume gestattet. Sprachwitz und Charme entschädigen für den in meinen Ohren doch leicht bleichgesichtig erscheinenden Gesang locker.

Schützenhilfe bräuchten die Ohrbooten eigentlich nicht. Besonders der Rap, den Amewu zu der Nummer beisteuert, die der "Bestie Bass" huldigt, wirft aber ein willkommenes weiteres Steinchen ins Klang-Kaleidoskop. Alles topp, also. Nur live eben noch topper. Tut mir leid!

Trackliste

  1. 1. Urwald
  2. 2. Models
  3. 3. Alles Für Alle
  4. 4. 36 Grad
  5. 5. Punk Is Dad
  6. 6. Blau
  7. 7. Wackelkontakt
  8. 8. Zwei Joints
  9. 9. Dreckiger Job
  10. 10. Krise
  11. 11. Bestie Bass
  12. 12. Schon OK
  13. 13. Es Geht Immer

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LAUT.DE-PORTRÄT Ohrbooten

Reggae aus der Hauptstadt besitzt einen guten Klang. Spätestens seit Seeed steht fest, dass das dicke B weit mehr zu bieten hat als das Elend in den …

7 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    Gibt schon sehr guten Reggae aus deutschen Landen.

    Beispiele:

    Nosliw (saugut)
    Ronny Trettmann (Geschmacksache, manche Sachen von dem find ich echt derbe)
    Mono Nikitaman
    SchaelSick Steppas
    Manu Rankin
    Ganjaman (manchmal etwas weinerlich, aber ein paar gute Conscious Texte sind dabei)
    Jan Delays erstes Soloalbum, absolute Bombe
    Seeed (naja)
    Ohrbooten

    und die meiner Meinung nach besten, die aber leider nur ein Album rausgebracht haben:
    Hans der Kleingärtner, bestes deutsches Reggae Album.

  • Vor 10 Jahren

    @abbedudde (« Deutscher Reggae nervt einfach nur »):

    Klappe Ahnungsloser^^

    Ich finde der deutsche Reggae ist zur Zeit der beste auf der Welt. Diesen Popcaan/Elephant Man/TOK-Blödsinn in Jamaika kann ich einfach nicht ausstehen (mir is schon klar, dass es natürlich auch geile jamaikanische Interpreten gibt, aber der Großteil der jamaikanischen Szene sind leider homophobe Gangster oder hirnlose Party-Atzen)

  • Vor 10 Jahren

    @keine_Ahnung (« Gibt schon sehr guten Reggae aus deutschen Landen.

    Beispiele:

    Nosliw (saugut)
    Ronny Trettmann (Geschmacksache, manche Sachen von dem find ich echt derbe)
    Mono Nikitaman
    SchaelSick Steppas
    Manu Rankin
    Ganjaman (manchmal etwas weinerlich, aber ein paar gute Conscious Texte sind dabei)
    Jan Delays erstes Soloalbum, absolute Bombe
    Seeed (naja)
    Ohrbooten

    und die meiner Meinung nach besten, die aber leider nur ein Album rausgebracht haben:
    Hans der Kleingärtner, bestes deutsches Reggae Album. »):

    Seeed feier ich prsönlich ja auch sehr (vor allem ihr frühes Zeug, "New Dubby Conquerors" ist mein absolutes Lieblingsalbum)

    Ansonsten find ich noch
    Martin Jondo,
    Benjie,
    Irie Révoltés (mir in letzter Zeit aber zu rockig),
    Jahcoustix,
    Patrice (auch wenn das schon fast Soul ist),
    Gentleman (aber auch eher die älteren Sachen),
    Mellow Mark,
    alles was Johnny Strange ohne sein abgefuckte Band macht (deren ersten beiden Alben aber auch super waren),
    und vor allem I-Fire überdope