laut.de-Kritik

Wie aus den 60ern eines Paralleluniversums.

Review von

"Sie versucht gar nicht, cool zu sein. Vielleicht ist es sogar das komplette Gegenteil." So beschrieb Pete Kember alias Sonic Boom die Musik auf "Reset" gegenüber Pitchfork. Eine ziemlich gute Beschreibung für die neun Stücke, die er gemeinsam mit Noah Lennox alias Panda Bear während der Pandemie geschrieben und aufgenommen hat. Panda Bear wiederum behauptete in dem Gespräch, das Album sei eines "für Kinder jeden Alters". Während des Hörens stellt sich allerdings vielmehr das Gefühl ein, dass die Musik der beiden nicht für die breite Masse geschrieben wurde, sondern vielmehr nur hartgesottene Fans und Hörer*innen mit Geduld und Muße erreichen wird.

Was nicht heißen soll, dass sie von Außenstehenden nicht genossen werden kann, sondern, dass die Stücke so klingen, als wären sie jenseits jeglicher Hörer*innenerwartungen entstanden und als spiegelten sie allein die kreative Verschmelzung der musikalischen Stimmen und Launen von Kember und Lennox. Weder Panda Bear, noch Sonic Boom, geschweige denn ihre Bands Animal Collective, respektive Spacemen 3, sind für leicht zugängliche Musik bekannt, weshalb das nicht weiter verwundern dürfte. "Reset" wirkt so nebelverhangen, dass man sich durch den dichten Lofi-Vintage-Qualm zu den zugrundeliegenden starken Songs durchkämpfen muss. Man findet am Grund launiges Gitarrenspiel, Beach Boys-Harmonien und verliert sich immer weiter in den verträumten Klangräumen.

Die Idee des Albums entstand aus Kembers Erkenntnis, dass Songintros häufig eine eigene Energie innewohnt, die er über komplette Tracks strecken wollte. Die Stücke auf "Reset" fußen daher häufig auf recht simplen Loops, über die sich dann weitere Instrumente und die Vocals entfalten. "Gettin' To The Point" baut beispielsweise durchgehend auf einem kurzen Gitarrenmotiv auf, wird dabei aber nie langweilig, da in der Gesangsmelodie und restlichen Instrumentierung viel passiert. Bei "Edge Of The Edge" ist es ein Chor, der den Kern des Stückes ausmacht. Der Track entfaltet sich dann aber erst vollends in seiner Hook, in der das lyrische Ich immer weiter an den Rand rückt: "Up to the edge of the edge / Of the edge, of the edge / Of the edge, of the edge / Of the edge, of the edge".

Auch wenn es textlich immer mal wieder düster wird, was den Musikern zufolge der Pandemie geschuldet ist, fangen Lennox und Kember das in optimistischen, geradezu fröhlichen Klängen auf. "Go On" scheint in einem ständigen Aufgang gefangen und erzeugt dadurch eine angenehme Spannung und eine freudige Erwartung. Auch der Text scheint das stetige Warten auf Mehr zu verhandeln: "Something's comin' 'round the bend / Something's buried in the text / One dude's dead, and another's next / Something's comin' 'round the bend".

Besonders psychedelisch wird es zu Beginn von "In My Body", das über lange Zeit fast nur aus Gesang und Rasseln besteht, zu denen immer wieder undefinierbares Noise gemischt wird. Zwischendurch gibt es kurze Synth-Melodieeinwürfe und Klanghölzer, die dennoch sehr viel Raum zum Wegträumen lassen. "Livin' In The After" kommt mit übermotivierten Streichern daher, die vor der 60er Jahre Kulisse unheimlich stimmig wirken und entfernt an die wunderbare Titelmelodie der Miss Marple-Filme mit Margaret Rutherford erinnert. "Everything's Been Leading To This" bietet verspielte Synths und Schlittenglocken; der Song klingt, als würde er aus den 60ern eines Paralleluniversums kommen.

Auf der nun zusätzlich erschienenen Deluxe-Version des Albums bieten Kember und Lennox mit den "Songbook Instrumental"-Versionen die Möglichkeit, noch tiefer in ihre Instrumentationen einzutauchen und die einzelnen Klangelemente noch besser differenzieren zu können. Dazu kommen Remixe der Songs "Gettin' To The Point", "Edge Of The Edge" und "Everything's Been Leading To This", die die Songs aber eher zum Negativen entfremden. Die Stücke, die gerade durch das Auslassen typischer percussiver Elemente bestechen, können unter dreingegebenen Elektrobeats allerdings auch nur verlieren. Zwar wird "Reset" also nicht die große Masse ansprechen, dafür hängt die Musik zu sehr in den Wolken weit entfernter Parallel-60s. Schenkt man Kember und Lenno aber Aufmerksamkeit und Zeit, fächern sich die auf Wiederholung bauenden Songs immer weiter auf und machen gerade dadurch großen Spaß.

Trackliste

  1. 1. Gettin' To The Point
  2. 2. Go On
  3. 3. Everyday
  4. 4. Edge Of The Edge
  5. 5. In My Body
  6. 6. Whirlpool
  7. 7. Danger
  8. 8. Livin' In The After
  9. 9. Everything's Been Leading To This

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