laut.de-Kritik
Exzentrische One-Man-Show eines extravaganten Alleinunterhalters.
Review von Magnus Franz"Take me to the limit, every single minute / Do it all to death now before we die" singt Brendon Urie auf "Do It To Death", dem letzten Kapitel des siebten Panic! At The Disco-Albums "Viva Las Vengeance". Eine Passage, die sinnbildlich für die knapp 45 Minuten steht, die man zuvor durchlebt hat. Denn "Viva Las Vengeance" ist auf den ersten Blick eine chaotische Erfahrung und vieles zugleich. In seinem Kern ist es jedoch vor allem eine genaue Vision, die von ihrem Chaos lebt. Ein Musical ohne Pause, eine Oper der Ektase, ein spektakuläres wie ermüdendes Ereignis, das vollumfänglich auf seinen einzigen Fokus ausgerichtet ist: den Alleinunterhalter Brendon Urie.
Dass Brendon in dieser Rolle auch vollends aufgeht, sieht man schon daran, dass er seine ehemalige Band seit nunmehr sieben Jahren als One-Man-Show am Leben erhält. "Viva Las Vengeance" illustriert den Werdegang dieser One-Man-Show. Von den musikalischen Anfängen in Las Vegas bis hin zur glorreichen Etablierung als feste Größe in der Musikwelt mitsamt aller Höhen und Tiefen, die dieser Weg mit sich brachte, bündelt Brendon über ein Jahrzehnt seines Lebens in einem einzigen Projekt. Gleichzeitig ist es ein Album, das nach vier Jahren musikalischer Schaffenspause und diversen Kontroversen, die sich in der Zeit seither rund um Brendon angehäuft haben, wiederum auch zu einem kritischen Zeitpunkt kommt.
Doch nicht nur lyrisch, sondern auch musikalisch, beschäftigt sich "Viva Las Vengeance" kaum mit dem Hier und Jetzt. In Los Angeles lediglich mit einer Tape Maschine aufgenommen, kanalisiert die LP vor allem den Rock-Sound der 70er Jahre, der sich immer wieder auch mit einigen 80er- und 90er-Anleihen vermischt und seine Inspirationen teilweise fast schon unverfroren nach außen trägt. So entpuppt sich "God Killed Rock And Roll" mit zahlreichen Tempowechseln, exzentrischen Vocal-Parts und kühnen, sich stetig progressiv entfaltenden Instrumentanordnungen als ultimative "Bohemian Rhapsody"-Hommage. Auch das grandiose "Something About Maggie" hat an der einen Stelle mal etwas von Queen, plötzlich kommen wieder Beatles-Referenzen zum Vorschein. Auf "Sad Clown" sind es dann auf einmal Jellyfish-Vibes, die aus dem Arrangement herausstechen.
So aufregend "Viva Las Vengeance" mit all der Upbeat-Energie sowie den Arrangement- und Gesangsekstasen und auch so sein mag, so bleibt es gleichermaßen auch für das im Kopf, was es nicht ist. Zwar sind die Songs auf musikalischer Ebene durchweg atemberaubende Erlebnisse, die die Verrücktheit eines Las Vegas gekonnt einfangen, doch sie können oft nicht die lyrische Einfachheit und Ernüchterung hinter den überfallartigen Rock-Krachern verschleiern.
Sinnbildlich dafür steht das auf ganzer Linie enttäuschende "Middle Of A Breakup", das mit seinem "Makeup sex in the middle of a breakup" und Beobachtungen wie "Oh shit, you're kissin' my neck, kissin' my chest / Now I remember why we fell in love" genauso gut aus der Feder einer pubertierenden Hormonbombe stammen könnte. "Sad Clown" schneidet an anderer Stelle wiederum das Thema "Even though I'm smiling, I'm crying" nur wenig authentisch an, wohingegen "Local God" durch seinen Interpretationsspielraum sogar einige Verbindungen zur Vergangenheit und zu früheren Weggefährten endgültig kappen dürfte, nachdem der Song online bereits von zahlreichen Fans als unreifer und kindischer Seitenhieb gegen ehemalige Bandkollegen abgestempelt wird.
Am Ende ist "Viva Las Vengeance" somit eine Reise, die ihre Sinnhaftigkeit weniger in der Tiefe, sondern viel mehr im Spektakel findet. Bereits "Pray For The Wicked" hatte in dieser Hinsicht vier Jahre zuvor allerdings schon eines gelehrt: Panic! At The Disco stehen schon lange nicht mehr für tiefgreifende Alt-Rock-Kompositionen. Vielmehr geht es inzwischen um Eigenschaften wie fesselndes Entertainment, broadwayeske Inszenierungen und extravagante Überschwänglichkeit, die von ihrer Oberflächlichkeit und einem immensen Show-Faktor leben. Immerhin in dieser Hinsicht etabliert sich Brendon einmal mehr als Meister seines Fachs.
4 Kommentare
Scheiss Band. Äh; Scheiss Typ und Produzenten im Hintergrund.
Noch beschissener als die letzten paar Platten. 0/10
Die ersten beiden Platten sind wirklich gut aber danach wurde der Output leider immer schwächer.
Ich tu mir mit diesem Album noch etwas schwer - genial gut gemacht oder einfach völlig übertrieben?
Oper - naja, auf jeden Fall opulentes Musical.
Und dann wirklich brutal viel aus den 60ern bis 90ern kopiert. Man nennt das heute "Interpolation" - aber ist es in dem Fall schon plumpe Kopie oder einfach Remineszenz an wirklich große Vorbilder? Ich kann mich noch nicht entscheiden.
Interessant ist jedenfalls, rauszuhören, was da alles an Einflüssen verwurstet wurde: Beatles, Thin Lizzy, Queen... zumindest die Auswahl ist gut.
Und hat jemand schon gemerkt, wo Lenny Kravitz versteckt wurde?