laut.de-Kritik
Setzt sich der Ex-Beatle zu stark ins Rampenlicht?
Review von Giuliano Benassi"Die Beatles, Paul und John, George und Ringo, haben mehr für das Ende des Kommunismus getan als jegliche andere westliche Institution", lautet die These, die es zu beweisen gilt. Zumindest, wenn es nach dem Autor und Soziologen Artemy Troitski sowie den Machern dieser DVD geht. Garniert mit Bildern von damals, erzählen russische Intellektuelle, Musiker und Politiker vom Einfluss der Beatles auf die Jugend der ehemaligen Sowjetunion, wo sie Kultstatus erreichten, obwohl ihre Alben offiziell nicht erhältlich waren.
Um drei Uhr morgens wäre ein solches Programm auf Arte recht interessant – aber auf DVD, zudem mit dem irreführenden Titel "Paul McCartney In Red Square"? Der Auftritt des Bassisten im Mai 2003 ist weniger das Hauptthema als der Aufhänger für eine historische Dokumentation, wobei sich die zwei Bestandteile überschneiden, ohne wirklich zusammen zu passen.
Was haben die Wings-Stücke "Band On The Run", "Live And Let Die" oder "Maybe I'm Amazed" mit den Beatles zu tun? Nicht viel, außer, dass McCartney an beiden Combos beteiligt war. Spätestens, wenn er zum dritten Mal Mikhail Gorbatschow die Hand schüttelt oder neben Wladimir Putin grinsend ins Empfangszimmer des Kremls schreitet, kommt das unbefriedigende Gefühl auf, dass er sich doch etwas zu stark ins Rampenlicht setzt und ein Erbe beansprucht, dass ihm nur teilweise gehört.
Dass er die größte Berechtigung aller Lennon-Überlebenden hat, Beatles-Stücke aufzuführen, steht außer Zweifel. Dass er dabei trotz seinen knappen 60 Jahren kaum anders klingt als damals und immer noch fröhlich und gut aufgelegt wirkt, ist ihm hoch anzurechnen. Schade ist eben, dass er Politik und leicht verdauliche Soziologie mit einem durchaus mitreißenden Konzert vermischt.
Bei veränderter Reihenfolge enthält die DVD dieselben Stücke, die schon auf der Doppel-CD "Back In The World" zu finden sind. Bis auf gelegentliche Russisch-Brocken sind die Versionen weitgehend identisch, zumal sich an der Begleitband nichts geändert hat. Vom hohen technischen Niveau der Doku zeugt der Gewinn eines Emmy-Awards für die Kamera-Arbeit.
Was beim Moskau-Konzert weg gefallen ist, kommt bei einem zweiten Mitschnitt in St. Petersburg zum Einsatz – "Back In The U.S.S.R" wenig überraschend gleich zwei Mal. Hätte McCartney den Auftritt mit all seinen Kameras und Blicken ins gerührt-ekstatische Publikum in seiner Gesamtheit veröffentlicht, wäre ein außergewöhnliches musikalisches Zeugnis entstanden. Ein abgesperrter Roter Platz in Moskau, direkt vor dem Kreml – so was gibt es nicht alle Tage. So bleiben zusammenhangslose, gut ausgeführte Lieder und Aussagen, die sich zu oft wiederholen.
Ob wegen der Beatles, Johannes Paul II., Ronald Reagan oder wem auch immer – die Sowjetunion ist schon lange untergegangen. Und mit ihr weitgehend das Interesse am behandelten Thema.
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