laut.de-Kritik
Musikalisch topp, aber unnötig.
Review von Giuliano BenassiMit seinem Status als Popstar hat Paul Simon seine Probleme. Nicht wegen der Popularität, die er nach sich zieht (auch wenn es ihn nervt, immer wieder für Art Garfunkel gehalten zu werden), sondern, weil es sich eher als Texter sieht. Im Vordergrund stehen die Worte, dann kommt die Musik. Dass er es versteht, die zwei Elemente immer wieder aufs Neue meisterlich zu verbinden, beweist er seit bald 50 Jahren.
Überhaupt keine Probleme hat der New Yorker dagegen mit dem Geldverdienen. Kaum einfacher geht das als mit der Zusammenstellung bereits veröffentlichter Songs. Die Anzahl der Best Ofs unter eigenem Namen und als bessere Hälfte von Simon & Garfunkel hat längst den zweistelligen Bereich erreicht.
Wie unterscheidet sich "Songwriter" vom vier Jahre älteren "The Essential Paul Simon"? Auf dem vorliegenden Album ist die Anordnung der Stücke chronologisch und nicht mehr thematisch. Außerdem gibt es Auszüge vom neuesten Album "So Beautiful Or So What". Neben einer nebensächlich geänderten Tracklist – die bekannten Lieder sind auf beiden alle drauf – besteht der größte Unterschied darin, dass drei andere Stücke aus der Zeit mit Art Garfunkel drauf sind. Ohne Art Garfunkel, versteht sich.
"The Sound Of Silence" stellt das schwierige Verhältnis zwischen einem Autor und seinem bekanntesten Werk perfekt dar. Hass ist ein starkes Wort, doch Simon hat lange mit dem Song gehadert, fand er den Text viel zu jugendlich und die Begleitung zu simpel. Dass er mit ihm mittlerweile Frieden geschlossen hat, zeigt sein ergreifender Auftritt am Ground Zero am 11. September 2011. Schade, dass nicht diese Version hier zu hören ist, sondern eine, die drei Monate davor bei einem Konzert in der New Yorker Webster Hall aufgenommen wurde.
Wobei sich die Interpretationen nicht wesentlich unterscheiden. Weiter geht's mit einer ebenfalls minimalistischen Version von "The Boxer", diesmal vom Central Park-Konzert 1991. So weit, so gut. Was Aretha Franklins viel zu aufgeblasene Version von "Bridge Over Troubled Water" aus dem fernen 1970 soll, ist allerdings eine Frage, die einige Stücke lang nach hallt – passt sie doch überhaupt nicht zum restlichen Material.
Ansonsten ist an der Auswahl der Stücke wenig auszusetzen. Der Back-Katalog Simons ist ja prall gefüllt mit guten Liedern, auch wenn die zwei neuesten Alben zu stark vertreten sind. Wer sie noch nicht kennt oder nicht in der Lage ist, im Internet nachzuschauen - im dicken Booklet sind die Texte von allen Liedern abgedruckt. Ein paar Fotos und zwei Aufsätze pimpen die Hochglanzbroschüre ein bisschen auf.
Simon hat sich höchstpersönlich um die Tracklist gekümmert, wirbt der Aufkleber auf der Schutzfolie. Die Verpackung ist nett, der Inhalt nicht wesentlich anders als bei vorangegangenen Best Ofs. Die Musik ist natürlich immer hörenswert. Einen überzeugenden Grund, gerade diese Sammlung und nicht eine andere zu kaufen, gibt es aber nicht.
2 Kommentare
... einen überzeugenden Grund eine Rezension darüber zu machen, auch nicht. Dafür fehlen zu viele aktuelle Releases, um sich mit sowas zu beschäftigen.
@cade. (« ... einen überzeugenden Grund eine Rezension darüber zu machen, auch nicht. Dafür fehlen zu viele aktuelle Releases, um sich mit sowas zu beschäftigen. »):
Seh ich ganz genauso. Um einen schmeichelnden Text zu "Emika" zu lesen, werd ich also auch warten müssen, bis die GROOVE aufwacht.
Bevor laut.de mit dem diesjährigen Best-Of-Reigen zu Weihnachten durch ist, steht wohl Neujahr an. Siehe die ebenso redundante Rezension zu Chris de Burgh's 'Footsteps 2'.