laut.de-Kritik
Feinster Austro-Pop, immer einen Schritt voraus.
Review von Simon ConradsPaul Buschnegg lädt wieder ein, ein bisschen mit ihm zu fliegen. Also high zu sein oder, immerhin, ihm beim Draufsein zu lauschen. Wie gewohnt sind Paul und seine Jets auch etwas länger unterwegs, wenn sie erstmal abheben, und bieten auf ihrem neuen Album gleich 70 Minuten feinsten Austro-Pop. Einen roten Faden gibt es nicht, wenn man mal von der charmanten Weirdness der Truppe absieht, denn die ist wieder das prägende Merkmal der Stücke auf "Jazzfest".
Aufgenommen hat die Band das Album unter Anleitung von Herwig Zamernik und es klingt fantastisch, zwischen roher Energie, Synth-Trash und akribischem Soundgetüftel - Buschnegg und seine Gruppe übersetzen die verschiedensten Musikstile in ihre eigene Klangwelt. Viel Jazz gibt es nicht, dafür Ausflüge in den Krautrock in "Beach", punkig hingerotzte Tracks wie "Therapy" und "Büro" und Hip Hop-Anleihen in "Der Wecker Läutet Früh Am Morgen", ein bisschen Reggae in "Flieger", mit den Beatles und Bob Dylan scheint die Band auch bestens vertraut. Klar, über allem schwebt irgendwie der Geist von Ja, Panik, vor allem dann, wenn Buschnegg scheinbar willkürlich ins Englische wechselt.
Willkür kann aber eigentlich kein Faktor in der Produktion gewesen sein, vielmehr hat man das Gefühl, dass hinter allem ein undurchsichtiger Masterplan der Jets steckt. Das Album ist so prall gefüllt mit Kreativität und Idiosynkrasie, dass es eigentlich aus allen Nähten platzen müsste. Der Verdienst der Band ist es, das einzufangen und Pop-Sensibilität als Handreichung zur leichteren Einfindung zu bieten. Massentauglich ist das alles am Ende natürlich trotzdem nicht.
Selbst wenn die Musik durch ihre Wärme im Kern herzlich und einladend ist, bleibt Paul mit seinen schemenhaften Texten und der Exzentrik schwer zu fassen, den Hörer*innen auf dem gemeinsamen Flug immer einen Schritt voraus. Die Band verwehrt sich der Eingängigkeit nicht, sie ist aber nicht Dreh- und Angelpunkt ihrer Songs. Man wird den Eindruck nicht los, dass die Jets sich in ihrer Nische sehr wohl fühlen, die Rolle des ständigen Geheimtipps gerne erfüllen. Paul gleicht seinen Hang zum Artsy-Fartsy-Gehabe mit seinem Slacker-Humor aus, bleibt am Ende immer treffsicher in seiner Ungenauigkeit.
Schon der Titelsong lässt offen, über wen sich die Band eigentlich lustig macht. Eventuell gar über die eigenen Ansprüche? Musikalisch erinnert der Track an Devo und sonstigen Achtziger Art-Pop, textlich arbeitet sich Buschnegg an Bands mit hohen künstlerischen Ambitionen ab: "Die Jets spielen heut' auf'm Jazzfest", singt er immer wieder. In einem Dialog-Part zwischen Buschnegg und Keyboarder Kilian Hanappi mitten im Stück heißt es: "Ich hol' mir 'ne Platte von den Jets." "Die machen keine Platten mehr." "Was soll das heißen?" "Dass das nur noch live ist, dass das nur noch alles live ist, weil Musik lässt sich nicht auf eine Platte pressen, das geht nicht. Die wollen das nicht mehr machen, die machen nicht mehr mit, mit der Industrie."
"Jazzfest" darf aber wohl als eine Art Prelude verstanden werden, denn auf den Song folgt mit "Intro" ein zweiter Anfang, der vor allem als schöne Hinleitung zum bereits erwähnten, launigen "Flieger" agiert. So launig ist der Song, dass er in einem beschwingten Lalala-Part gipfelt. Als hätte sich Buschnegg damit erst mal genug verausgabt, macht er auf dem nächsten Song "Therapy" erst mal Platz am Mikrofon für die Bassistin Romy Jakovic. Über einen mitreißenden düsteren Groove aus knalligen Drums, donnerndem Bass und hektischen Percussion breitet Jakovic eine psychische Erkrankung aus: "Dann kommt die Langeweile, ständig kämpfst du gegen sie an / Obwohl du nichts dafür kannst, dass du nichts mehr fühlen kannst". Bei aller thematischen Schwere gelingt es den Jets auch hier einen kurzweiligen Track zu basteln.
Von der Romantik eines gemeinsamen Rauschs erzählt Buschnegg im wunderbar verträumten "Baby": "Ich will high sein mit dir, oh, mein Baby / Lass mich nicht alleine sein / Diese Müdigkeit macht glücklich, diese Müdigkeit macht schön". Hier ünterstützt der als Gast geladene Ferdinand Ehs am Saxophon die textliche Cheesiness musikalisch. In eine ähnliche Kerbe schlägt "So Richtig In Love", einem der Highlights des Albums, das mit dem ohrwurmigen Refrain und starken Zeilen wie "Bruder Mond lach' sie nicht aus / Seit wann hast du denn da was mitzureden? / Du musst nichts tun im Leben / Bist nachts wach, ohne ekelhafte Drogen nehmen" überzeugt. Krachig und abstrakt geht's in "Fake U Lie" zu und sogar dieser vermeintlich als Kakofonie konzipierte Track geht im Album-Kontext auf.
"Magdeburg" entwickelt sich ganz unaufgeregt zu einem weiteren, herrlich-schunkeligen Highlight. Man folgt Buschneggs Stream of Consciousness: "Ich hab meinen Kajal in Magedburg vergessen / Und ich denk' zur Zeit immer öfter an Silvester / Dann denk' ich noch an Berlin / Du erzählst so viel / Ich hör' gar nicht hin". In der Hook erinnert der Track entfernt an The Velvet Underground, die Stimmen von Buschnegg und Jakovic ergänzen sich fantastisch, wenn sie singen: "Ich leg' auf für dich, ich leg' Songs auf, die du noch nicht kennst, für dich." Im knapp zehnminütigen "Obstbaumwald" evoziert die Mundharmonika Dylan und Neil Young, während Buschnegg wieder Rauscherfahrungen rekapituliert: "Ich spiel' am Handy 4 gewinnt / Und betrink' mich sehr geschwind. Es bereitet immer große Freude diesen Erzählungen zuzuhören, die mit Details nicht geizen, aber eben nie wirklich konkret werden.
Um diese Rezension nicht zu lang geraten zu lassen wird hier nicht jeder Track des Albums mit einer eigenen Passage bedacht, auch wenn die Stücke das durchaus verdient hätten. Wie immer im Falle guter Musik gilt aber ohnehin: Sie wird besser gehört, als beschrieben.
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