laut.de-Kritik
Dance-Nachhilfe von Disco-Greisen.
Review von Michael SchuhRückbesinnung steht in großen Lettern über dem neuen Pet Shop Boys-Werk "Disco 3". 1986 und 1994 erschienen die Vorgängerwerke, auf denen Albumsongs zu teilweise monumentalen Dancefloor-Arien aufgeblasen wurden. Motto: Ein Mix dauert neun Minuten. So war das in den 80ern und bei den Pet Shop Boys sowieso. Heute gehen die Briten schon beinahe als Gitarrenband durch, da kann ein bisschen Dance-Nachhilfe nicht schaden.
Dass auf dem neuesten Disco-Sequel zudem fünf brandneue Songs vertreten sind, macht das Ganze umso attraktiver. Frei von den Fesseln einer stringenten Album-Songfolge beschwören Neil Tennant und Chris Lowe gleich auf "Time On My Hands" ein minimal kickendes Elektro-Gewitter herauf, das man ihnen bei aller Wertschätzung nicht zugetraut hätte. Viel eher kommen einem die finnischen Op:l Bastards in den Sinn oder auch die helvetische PSB-Verehrerin Miss Kittin, die letztes Jahr in London für die Disco-Greise Platten kreisen ließ. Nur Tennants spärliche Vocoder-Einlagen verraten die wahren Urheber.
Die Selbstdefinition als "Positive Role Model"s des Pop gelingt ihnen wieder in gewohnter Hitmanier, nebenbei wird ein Barry White-Sample aus "You're The First, The Last, My Everything" zweckentfremdet. Als Highlights des Albums fungieren aber ausgerechnet zwei Nummern aus dem Jahr 1983: "Try It (I'm In Love With A Married Man)" stammt aus der Feder des Hit-Producers Bobby Orlando, der damals zusammen mit Giorgio Moroder die Hi-NRG-Welle auf die Menschheit losließ und die Pet Shop Boys mit seinem "West End Girls"-Remix mit dem Phänomen Disco erst bekannt machte. Und genau so klingt das hier. Auch beim '83er Oldie "If Looks Could Kill" belegt die züngelnde Bassline, wo die Roots heutiger Nu Wave-Elektroniker zu finden sind.
Dagegen verblassen lieblose Neuzeit-Bearbeitungen wie Superchumbos housiger "Sexy Northerner"-Mix und die nervtötenden Trance-Collagen der Gebrüder Blank & Jones in "Home And Dry" gehen sowieso gleich gar nicht. Mit einer Dance-Version des eher ruhigen Songs "Here" vom letzten Album zeigen Tennant und Lowe selbst, wie Remixe funktionieren müssen, bevor sie eine chillige Piano-Version von "London" zum Ausklang darbieten.
Im Gegensatz zur Version von 80s-Boy Felix Da Housecat taugt der Song zwar überhaupt nicht zum Abhotten und auf einen "Disco"-Release wäre er früher auch nie gekommen. Dafür passt der sentimentale Abschluss hervorragend zu Wolfgang Tillmanns' Coverfoto der Londoner Skyline, das einen nächtlichen Blick auf die Stadt freilegt, in der für Tennant und Lowe alles begann.
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