laut.de-Kritik
Subtiler Indierock mit Pop-Appeal.
Review von Martin LeuteDer aus New Jersey stammende Singer/Songwriter Pete Yorn vervollständigt nach eigener Aussage mit dieser Platte eine Trilogie. Die Vorgängeralben "Musicforthemorningafter" und "Day I Forgot" thematisierten den Morgen und den Tag. In "Nightcrawler" ist nun also die Nacht mit ihrem Facettenreichtum das prägende Element. Und diese Nacht ist nicht zum Schlafen da, im Gegenteil, neben aufgeweckt poppigen Stücken stehen solche, die dezent rocken. Für melancholische Träumereien bleibt nur wenig Raum.
Zweieinhalb Jahre hat Pete Yorn an diesem hochwertig produzierten und kompositorisch ausgefeilten Werk gearbeitet und illustre Gastmusiker wie die Dixie Chicks, Dave Grohl und den Keyboarder Leon Russell eingeladen. Das Ergebnis kann sich wahrlich hören lassen. Neben den schnelleren Stücken ("Undercover", "Maybe I'm right", "Alive") finden sich folkig angehauchte wie "The Man", "Splended Isolation" und ruhigere Nummern ("Ice Age", "Bandstand in the Sky"). Das enorme stimmliche Potenzial Pete Yorns und die raffinierte Instrumentierung verleihen den Songs eine kraftvolle Spannung, die sich immer wieder lautstark entlädt. Das funktioniert prima und bleibt immer schräg harmonisch.
"For us" ist ein Song, der die Vielseitigkeit der Musik beispielhaft verdeutlicht. Ein schönes Gitarrenriff, das Schlagzeug und die zuerst tiefe Stimme, mit der Yorn anschließend spielt und sie sehr effektiv einsetzt. Es folgt der melodische Refrain und plötzlich ein neuer Melodiebogen.
"I'm first and foremost influenced by melody", erklärt Pete Yorn. Das stimmt. Er versteht es aber auch ausgezeichnet, diese Melodien nicht zu steril und glatt klingen zu lassen, indem er im richtigen Moment einen Ausgleich schafft mit einem stimmlichen oder instrumentalen Bruch (laute oder verzerrte Gitarren). Das verleiht dem Werk einen rauen und reizvollen Charakter und kleidet es ausgezeichnet. Dieses temperamentvolle Niveau hält "Nightcrawler" von vorne bis hinten. Textlich setzt sich der 32-jährige Amerikaner mit der Liebe, dem Tod, der Eifersucht, dem Materialismus bzw. dem Anti-Materialismus auseinander.
Pete Yorn nennt vor allem David Bowies Album "Low" als Inspiration für "Nightcrawler". Mein popkulturell vereinnahmtes Hirn stellt sich aber beim Hören der Platte schmunzelnd vor, wie Jeff Buckley, J. Mascis und Robbie Williams biertrinkend in der Kneipe sitzen und Pete Yorn zu sich an den Tisch winken. Die Folge dieser Nacht könnte "Nightcrawler" sein: vierzehn subtile Indierock-Perlen mit Pop-Appeal, die Spaß machen und Tiefgang besitzen. Auf Pete Yorn sollte man auch in Zukunft achten.
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