laut.de-Kritik
Die Erde ist für alle da, auch für VW.
Review von Philipp KausePeter Maffays Märchen vom kleinen Drachen Tabaluga hat in fast 40 Jahren viel Anerkennung erfahren. Eine Kinderstiftung in Tutzing, Kitas in Offenbach und Dresden, ein Kindergarten in Lünen usw. haben sich nach dem mehrteiligen Musical benannt. Der rote Faden der neuesten, siebten Folge leuchtet so grün wie der Drache, denn es geht um ökologische Aspekte der Lebenswelt des Tiers und seiner Freund*innen. Zu Maffays Songtexten mit Allgemeinplätzen der Sorte "die Erde ist für alle da" gesellen sich in diesem Teil namens "Die Welt Ist Wunderbar" überleitende Erzählertexte zwischen den Musikstücken.
Die braucht man auch. Wenn etwa "Es Ist Heiß" mit altbackenem Deutschrock der '80er direkt auf die Klassik-"Ouvertüre" folgt, gestaltet sich der Wechsel zwischen den Songs arg abrupt. Nur in der zweiten Hälfte der Scheibe sind die Lieder so aufeinander abgestimmt, dass man sie gut nacheinander hören kann, ohne zu stutzen.
Doch die Songs leiden an dissonanten Akkordfolgen, und die Instrumentierungen hören sich an, als wären sie im Ursprungsjahr der Serie, 1983, stecken geblieben. Mitte der Eighties glückte die Verbindung zwischen Hardrock, deutschen Texten mit ernsten Öko-Inhalten und NDW-Synthpop schon mal kunstvoller, geschmeidiger und zeitloser: Wo Maffay heute in "Rock'n'Roll" die E-Gitarren gegen Erderwärmung und Plastikmüll aufheulen lässt, waren es 1986 Wolf Maahn & die Unterstützung (Niedecken, Marian Gold, Grönemeyer, Klaus Lage) mit ihrem "Tschernobyl"-Protestsong, 1983 Silly mit "Dicke Luft" über Smogalarm in Berlin, 1982 der unter die Haut gehende DDR-Kultsong "Der Blaue Planet" von Karat und Maffay selbst mit "Eiszeit" auf der LP "Ich Will Leben". All diese Impulse hätte man schon im ersten oder zweiten "Tabaluga" unterbringen können.
Freilich ist es nachvollziehbar, dass der gerne mit Moral und Ethik flirtende Lederjacken-Schlagerstar auf den Fridays-for-future-Zug aufspringt. "Schließlich wird immer klarer, wohin die Klimaentwicklung steuert", so der Artist. Ganz aufrichtig wirkt dieser Schritt nicht, wenn man liest, dass Volkswagen mit dem Sänger die Idee entwickelt habe. So verhielt sich zum Beispiel "Tabaluga und die Zeichen der Zeit" 2011 recht albern im Umgang mit der Thematik, etwa wenn Schneemann Arktos, den Tabaluga damals nicht leiden konnte, ein bisschen wegschmilzt, und Tabaluga ihn auslacht. Inzwischen ist die Heimat Grünland bedroht, und irgendwie haben "Die Menschlinge" damit zu tun.
"Elektrizität ft. Stefanie Heinzmann" stellt Kindern den Begriff "e-Mobil" vor, ohne aber musikalisch irgendwelche neuartigen Momente zu schaffen. Durchgehend alles hört sich so an, als habe man es schon viel zu oft vernommen: Die schwerfällige Drum Machine in "Sieben Gründe Für Die Sonne" schleppt sich in so stumpfem Klang, dass man sie besser weggelassen hätte. So hätte sich der Stromverbrauch des Tool-Computers reduziert und Maffays versierter Drummer Bertram Engel seine Muskelenergie spielen lassen können. Sein Chef bemüht sich krampfhaft, "Gründe für den Sonnenschein" zu loben. Allerdings erweist sich die relativ handelsübliche Melodie - in einer mittleren Tonhöhe, vom Schwierigkeitsgrad ungefähr auf dem Level von Uriah Heeps "Lady In Black" - als unbezwingbare Hürde für ihn. Maffay quält sich holprig auf einer fragilen Stimmebene zwischen Kastrat und Susanne Daubner. Seine Kompetenz als Nachwuchs-Juror bei "The Voice Of Germany" erscheint in solchen Momenten zweifelhaft. Die künftigen Hoffnungsträger von Pop made in Germany werden hoffentlich die Töne treffen und nicht so zwischen nuschelndem Buchstaben-Schlucken und Zeigefinger-Apostel hin und her schaukeln.
Maffay dekliniert weitere regenerative Energiequellen durch, wobei der Wind am besten weg kommt. "Mancher wird es schon ahnen: Ich bin nicht eins / ich bin viel mehr", heißt es in "Ich Bin Der Wind", auf einer Weltreise von Vulkanen, deren Asche der Wind mit sich "fegt", bis zum Monsun in den Subtropen. "Ohne Wasser Gibt's Kein Leben", setzt der 73-Jährige folgerichtig fort. Phasenweise wirkt das ein oder andere Stück brauchbar. Immer wieder möchte man jedoch die Melodien innerlich anders weiter führen. So dass sie den Grundregeln der Harmonielehre folgen. Aus welchem Tonleitersystem dieses Planeten Maffays Komponisten-Team sich manche Dissonanzen ausborgt, wird trotz des Weltweit-Ansatzes nicht genannt. Da hilft auch die Erdkugel auf dem Cover nicht weiter.
Das grundsätzlich gute Konzept versinkt in eintönigen Melodieverläufen und den genannten Problemen hinsichtlich Instrumentierung und stimmlicher Ausdruckskraft. Gut an der Deluxe-CD ist, dass sowohl eine CD mit allen Musikstücken als auch eine mit dem Erzählertext vorliegt. Jedes Erzählertext-Interlude und der jeweils zugehörige Song bilden dort dann je eine gemeinsame Tracknummer. Von einer angenehmen Stimme verlesen, rattern die Erzähl-Einlagen jedoch kaum kindgerecht vorbei. (Es ist eh die Frage, ob eine Achtjährige den Monsunregen kennt.) Das Lesetempo ist teils zu schnell. Die Behauptung "Erderwärmung hat es doch schon immer gegeben" verhallt ungeklärt und unwidersprochen. Der Vortrag der Dialoge verzichtet auf verteilte Rollen. Somit müssen wir auf Synchronsprech-Charaktere wie Glühwürmchen Lucy, gesungen von Stefanie Heinzmann, in der Geschichte leider verzichten. Eine Spar-Mogelpackung, in der kaum zu erkennen ist, wer wann was zu wem sagt. Klasse sind aber etliche illustrierende Hörspiel-Geräusche abgemischt.
Die Schlussballade "Königreich Der Liebe ft. Stefanie Heinzmann" zeigt sich harmonischer. Allerdings überzieht die Phrasierung der beiden Duettpartner so sehr, wie sie im Video bedeutungs- bis vorwurfsvoll schauen und gestikulieren; Stefanie legt immer wieder aufs Neue ihre Hände auf die Brust. Ob die Zielgruppe, darunter Kinder im Grundschulalter, wirklich so viel Moralpathos über den Zustand der Erde hören wollen, müsste man Gregor Rottschalk fragen. Der Ko-Erfinder von "Tabaluga" verfasste die anderen elf Lyrics, (und man darf dankbar sein, dass nicht Oerding engagiert wurde, der mittlerweile für Maffay viel und nicht immer Logisches textet). Triefend vor Rührseligkeit und erstaunlich pädagogisch, fordernd im Ton, schieben Peter und Stefanie uns den Ball zu. Wir sollen alle die Welt retten. So war "Tabaluga" bisher nicht. Was auf der Musical-Bühne völlig angemessen wirkt, kommt in der Audio-Studiofassung wie Realsatire rüber.
Zwar ist "Tabaluga" Teil Sieben schon vielseitig, aber im Sinne von: eine Soundfarbe rummst rustikaler als die andere, und das Ganze wurde zerfahren und musikalisch sprunghaft kompiliert. Auch wenn der Werbetext, beschwipst vom eigenen Produkt, Vergleiche mit Aerosmith und Elton John bejubelt. In einen wirklichen Flow gelangt man bei dem Album nicht, obwohl es als Konzept-Einheit gedacht ist. Die Platte sensibilisiert ein bisschen für die Nachhaltigkeits-Thematik. Aber in der Story ist sie zu verschachtelt umgesetzt und in der Wortwahl recht abgehoben. Zu den süßen Tierfiguren und deren Blickwinkel passt das alles nicht so recht. Statt eines Drachens hört man hier eher Sound, der auf Dauer so spannend wie eine Stunde Taubengurren on tape ist.
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Mukke vom Grenzdebilen.