laut.de-Kritik

Dem Radiohead-Drummer gelingt ein hörenswertes Debüt.

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Der Schlagzeuger in einer Band ist so etwas wie der Torwart in einer Fußballmannschaft: Unentbehrlich im Gesamtgefüge, wenn alles glatt, aber unscheinbar läuft. Die Show stehlen ihm die Stürmer bzw. Frontmann und Gitarrist. Auch Spielgestaltung wird vom Drummer kaum erwartet, ebenso wenig, dass er im Mittelpunkt steht. Schließlich hält auf der Bühne in der Regel schon das Arbeitsgerät den Blick des Publikum ab.

Philip Selway bringt es folgendermaßen auf den Punkt: "Für einen Schlagzeuger ist es eine Todsünde, zu den Proben zu kommen und zu sagen: 'Hey, ich habe einen coolen Song geschrieben'. Wenn du als Teenager anfängst, auf die Felle zu hauen, legst du dein Songwriting-Talent auf Eis". Der Mann muss es wissen: Seit 20 Jahren ist er Mitglied bei Radiohead.

Und natürlich gibt es auch Leute zwischen den Pfosten, die ganz gut Libero spielen oder passable Elfmeterschützen abgegeben. Schlagzeuger wie Phil Collins oder Bela B. singen sogar.

Nun hat auch Selway seinen schlummernden Talenten außerhalb des Bandgefüges freien Lauf gelassen, ist zu Neil Finn nach Neuseeland gereist, hat mit ihm und Mitgliedern von Wilco Songs geschrieben und dort seinen ersten Auftritt am Mikro gefeiert. "Das war eine Feurtaufe. Aber es war friendly fire", erinnert er sich nicht ohne Ironie.

Das alles ist in einer gewissen Hinsicht erstaunlich, doch noch viel erstaunlicher ist das Album, das zurück in England zustande gekommen ist. Das Schlagzeug spielt darauf nur eine unscheinbare Begleiterrolle. Im Mittelpunkt stehen Akustikgitarren sowie Selways warme Stimme, die nicht danach klingt, als hätte sie so gut wie keine Erfahrung.

"Was sich zu sehr nach Radiohead angehört hat, habe ich einfach rausgeschnitten". Übrig geblieben sind nachdenkliche, verträumte und melancholische Atmosphären, in die sich sein hohes Organ perfekt einfügt. Elektronische Elemente bleiben im Hintergrund. Melodien spielen eine Rolle, drängen sich aber nicht ins Ohr. Ein Album der leisen Töne, das keineswegs abwechslungsarm ausfällt.

"Familial" ist nicht nur eine überraschende, sondern auch eine gelungene Platte. Was schließlich doch Selways Hauptbetätigung zu verdanken ist: "Nach all den Jahren bei Radiohead ist die Messlatte natürlich sehr hoch". Der Sprung darüber ist ihm gelungen. Ein Torwarttor der erinnerungswürdigen Sorte.

Trackliste

  1. 1. By Some Miracle
  2. 2. Beyond Reason
  3. 3. A Simple Life
  4. 4. All Eyes On You
  5. 5. The Ties That Bind Us
  6. 6. Patron Saint
  7. 7. Falling
  8. 8. Broken Promises
  9. 9. Don't Look Down
  10. 10. The Witching Hour

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