laut.de-Kritik
Erfrischendes Comeback diverser 90er Indie-Helden.
Review von Kerstin KratochwillSchon kurz nach der Ende 2018 verkündeten Indie-Supergroup, bestehend aus Miki Berenyi (Lush), Justin Welch (Elastica), KJ McKillop (Moose) und Mick Conroy (Modern English), stiegen die Erwartungen in den Himmel, sind doch die Mitglieder allesamt wichtige Protagonisten des Shoegaze und Britpop.
Zwei Genres, die sich gleichzeitig abstoßen und anziehen. So beendete der Britpop-Sturm quasi abrupt die ätherische Shoegaze-Welle und Bands wie Lush oder Ride näherten sich auf ihren Alben immer offener dem Pop, während Justine Frischmanns Elastica ihre rotzfreche Energie 1995 nur ein Album lang hielten und fünf Jahre später mit einem müden Abklatsch ihr Ende einläuteten.
Piroshka ist also von Beginn an mit viel poptheoretischem Überbau ausgestattet, was die Bandmitglieder von Anfang an mit ihren spärlichen und genau deshalb extrem Neugierde triggernden Social-Media-Auftritten ignorieren. Mit einem geheimnisvollen Namen, der das ungarische Wort für Rotkäppchen ist, einem klassischen 4AD-Coverdesign und einer ersten Single, die den schönen Namen "Everlastingly Yours" trägt, spielte das Quartett geschickt mit den Erwartungen der alten Fans.
Der Brexit-Status-Song "This Is Bedlam" startet gleich so lustvoll und spielfreudig, dass das Herz trotz des besungenen Tollhauses ("bedlam") in Großbritannien hoffnungsvoll mithüpft: Wenn hier die einstige Energie einer Band wie Elastica mit dem sublimem Lush-Gesang verschmilzt, weiß man, warum man die britischen Beiträge zum Pop trotz (oder wegen) aller Exaltiertheiten einfach lieben muss.
Doch Piroshka bieten auf "Brickbat" weit mehr als nur das Anrühren einer bekannten Mischung aus Britpop und Shoegaze: Jazziges ("Village Of The Damned") oder Elektronisches ("Never Enough") verweben sie geschickt mit Post-Punk und New-Wave, während über allem die unnachahmliche Stimme von Miki Berenyi schwebt. Die aktuellen (britischen) Diskussion um gesellschaftliche Spaltung und Einheit kanalisieren sie in einer erfrischend kreativen Herangehensweise.
Am besten sind Piroshka jedoch dann, wenn sich wie in "Everlastingly Yours" oder "Hated By The Powers To Be" traumwandlerische, in sich verschachtelte Melodieschichten übereinander schieben und so tatsächlich eine neue Band mit Substanz und Seele entstehen lassen – und das ist wirklich super.
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