laut.de-Kritik

Diese Songs kennen keinen Sonnenaufgang.

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Nach der unerwarteten Wiederbelebung der Poems For Laila als Duo sowie dem zünftigen Comeback "Tiktak" folgt nun der Schwur: Bleibt der Phönix auch über längere Distanz lebendig oder hat er sein Pulver mit der handvoll sehr guter Lieder bereits verschossen? Antwort: Das neue Album "Dark Timber" hält das Niveau locker.

"You serve the drugs / I bring the wine." Zum Komponieren zogen sich Nikolai Tomás und Joanna Gemma Auguri ins Havelland zurück. An einen so gottverlassenen Ort, wo nicht mal Herrn von Ribbecks Birnbaum zu finden ist. Zwischen Nachtschatten und Vollmond erschufen sie zwölf wohlige Rotweinsongs, die keinen Sonnenaufgang kennen.

Wer noch die ersten Platten der Indie-Legende im Ohr hat, muss sich auf eine deutlich ruhigere Natur einstellen. Der Grundton ist nahezu meditativ. 'Broken hearts and broken stories' reihen sich als kleine dunkle Perlen aneinander. Singer/Songwriter-Noir kann man den Stil getrost nennen, der auch sogar Walzer kann ("Easy").

Hier finden das Kuriose und das Abgründige eine Nische. Der Gaukler säuft mit dem weisen Mann, und beide kapitulieren vor Schicksal und Weiblichkeit: "Oh my heart. Oh my heart ...". Melancholische Romantik zieht sanft in einen melodisch eingängigen Strudel gepflegter Finsternis.

Alles zusammen ergibt die Bittersüße besonderer Nächte, in der alle Ewigkeit und Vergänglichkeit, aller Liebeszauber und totaler Verlust so nah beieinander liegen, wie es diese ungleichen Brüder auch im Leben nicht selten zu tun pflegen.

Dabei wird Eintönigkeit durch das Einbringen der unterschiedlichen Persönlichkeiten vermieden. Johanna wirkt mal stoisch, mal ein wenig entrückt ("Gambler"). Nikolai hingegen trumpft als jener Filou auf, der er auch im Leben zu sein scheint. Man hört den Abenteurer heraus, der vor Dekaden mit einem klapprigen Mercedes-Bus bereits die damalige UdSSR als erste Westband bereiste ("Battlefield").

Man hört ebenso den Narren, der anno 1995 auf einem Festival beim Frühstück David Bowie traf und es tatsächlich fertigbrachte, den Thin White Duke nicht zu erkennen ("Leave Now"). Femininitität und Maskulinität beider ungleicher Partner kulminieren im schwarzlichtern flackernden "Lover". Es ist ein Stück, dass man schon allein für das Zusammenspiel mehrerer Gitarren mit einem berückend getupften Piano lieben muss.

Trackliste

  1. 1. Gambler
  2. 2. Easy
  3. 3. Fingers Crossed
  4. 4. Lover
  5. 5. Cheerio
  6. 6. Behind The Cypress Trees
  7. 7. Battlefield
  8. 8. Lyttleton
  9. 9. Woodpecker
  10. 10. Leave Now
  11. 11. Oh My Heart
  12. 12. Loop

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