laut.de-Kritik

Es gab schon immer Rum im Country.

Review von

Pokey LaFarge, bislang eine Wundertüte aus Americana-Versatzstücken, pfotensanftem Rockabilly, Swing und Blues, dabei die Haare fest mit Popappealgegelt, legt mit "Rhumba Country" kein Rumba-Album vor. Aber eines, das sich vom Rest seines Oeuvres unterscheidet. Das Problem an Andrew Heissler war "form over function"; seine Vorliebe für einen grob in den USA der 1950er zu verortenden Stil kann man so hinnehmen. Nur blieb der Eindruck hängen, Pokey nutze die Mittel eher als Mittel zum Zweck, um diese Traumwelt so hinzubiegen, dass sie passt.

Dabei gab es schon in der Vergangenheit Ausreißer wie das charmant-überdrehte "Fuck Me Up", nur blieben diese Qualitäts-Croutons rar in der pomadigen Suppe. Das biedere, langweilige "Sister Andre" machte ebenso wie "So Long Chicago" als Singles bösgläubig. Vor allem das letztere ein reiner, schematischer Fanservice ohne Daseinsberechtigung, während die "Rhumba" beim ersteren durch etwas karibisches Geklimper im Hintergrund abgefrühstückt wird.

Zieht man sich dann noch das klischeebesoffene Video zum Opener "One You, One Me" an, reicht es einem fast. Damit geschähe "Rhumba Country" aber Unrecht. Denn der erste Song des Albums kann ohne diesen Tumor von Video bestehen und zeigt, wenn schon kein Rumba-Flair, so doch das Bemühen des Illinoisians, seinen Sound anzureichern. Und das eben nicht mit dem gruseligen Dauergrinsen, das ihn und seine Frau Addie Hamilton (die beim Country-Club-Stampfer "It's Not Over" ebenso wie beim soliden, wenig überraschenden "Made To Be Loved" mitschrieb und singt) in Videos zu Gruselgestalten transformiert, sondern durch eine erfrischende, authentisch positive Art.

Diese prägt "For A Night", durch die Pokey kompetent durchrumpelt. Das deutliche perkussive Element passt zu seinen Stärken, LaFarge kommt nämlich überraschend gut mit viel Bewegung im Hintergrund zurecht. Das verdeutlicht das Albumhighlight "Like A Sailor", ein ganz feines Wogen voll Sehnsucht. Das Gefühl steht dem Ami unabhängig von weiteren Elementen exzellent, wie "Home Home Home" beweist. Man wünschte sich ein Richtung Cashschielendes Album vom ihm, das könnte ihm hervorragend zu Gesicht stehen. Der Song ist jedenfalls klasse und stockkonservativ, was auch für den zumindest guten Closer "You Make My Garden Grow" gilt. Eine lebendige Gitarre und eine einigermaßen komplexe Struktur geben LaFarge das notwendige Spinnennetz, auf dem er frei herumtollt - wem würde man 2024 schon unironisch "mhm - Jesus"-Einwürfe abnehmen?

Wirklich gut ist "Rhumba Country" deshalb immer noch nicht. "Run Run Run" läuft vor sich selbst weg, so mies und vorhersehbar gerät das Stück, wird aber eingefangen und mit viel Handwerk brauchbar geprügelt. Und die vom Sänger reklamierte tiefe Beschäftigung mit lateinamerikanisch-karibischen Musikkulturen lässt sich hier eben nur als selten eingesetzte, dann aber gelungene Erweiterung seines Spektrums heraushören, dabei bleibt es. Wer LaFarge live in Deutschland erleben möchte, kann das Anfang Dezember tun. Es könnte spannend sein, ihn mit seiner seit 2021 komplett durchgewechselten Band zu erleben, denn so manch schwächerer Song auf "Rhumba Country" könnte mit etwas mehr Verve und Jam (und Rumba) aufblühen.

Trackliste

  1. 1. One You, One Me
  2. 2. For A Night
  3. 3. Run Run Run
  4. 4. Like A Sailor
  5. 5. Sister Andre
  6. 6. So Long Chicago
  7. 7. It’s Not Over
  8. 8. Home Home Home
  9. 9. Made To Be Loved
  10. 10. You Make My Garden Grow

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1 Kommentar

  • Vor 6 Monaten

    Auf dem OST zu Lone Ranger findet sich das Instrumentalstück Red's Theater Of The Absurd. Hätte für mein Empfinden von Tom Waits stammen können und hat mich direkt angesprochen. Also hab ich mich durch den bis dahin bestehenden Pokey LaFarge- Katalog gehört nur um festzustellen das es kein vergleichbares Stück gibt. Aber: Die Melange aus MississippiHillGipsyJazz der 30iger Jahre und die beeindruckende Qualität der Liveauftritte gepaart mit einer guten Portion Charisma hatte es mir angetan. Die spätern Alben nehmen dann das Tempo, die Verspieltheit und auch die Qualitätsdichte etwas zurück. 3 von 3 ist fair...