laut.de-Kritik
Eingängiger Synthie-Pop mit Female-Empowerment-Phrasen.
Review von Yannik GölzDas Poppy-Phänomen: Begonnen als undurchsichtiges YouTube-Enigma hielt das Debüt "Poppy.Computer" die surreale Stimmung der Kurzclips beeindruckend aufrecht, ohne dabei auch nur im Ansatz auf eingängiges Songwriting zu verzichten. Die Frage, ob nun eher die Fans des Internet-Phänomens oder des Popstars Poppy auf ihre Kosten kommen, beantwortet das Follow-Up "Am I A Girl?" mit einem nicht ganz zufriedenstellenden Spagat.
Als Leitmotiv setzt die Platte sich die Frage nach dem Gender (daher der Titel) in den Kopf und verwendet sie als eine etwas inkohärente Metapher auf die Frage nach dem Menschsein. Poppy bleibt also vehement bei ihrem Androiden-Gimmick bzw. Androidinnen-Gimmick. Leider verhindert dieses übergreifende Motiv eine wirklich interessante Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Geschlecht, dem man sich aber aufgrund der konzeptuellen Aufzweigung des Projekts auch nicht so recht entziehen kann.
"Sometimes I'm feminine / Sometimes I'm masculine / Don't evaluate me as woman or man", singt sie zum Beispiel auf dem Titeltrack gegen Ende des Albums. An diesem Punkt ist die glitzernde Pop-Produktion der ersten Hälfte waghalsigen Rock- und Metal-Experimenten gewichen. Als wollten Songs wie "Play Destroy" oder "X" erkunden, ob sich mit verschiedenen Härtegraden der Musik Gender-Identitäten ausdrücken lassen.
Es sind durchaus interessante Konzepte, die sich hier andeuten, aber nie zu Ende gedacht scheinen. Eines der Probleme ist die Oberflächlichkeit, mit der die Science-Fiction-Motive auf diesem Album angewendet werden. Poppy trägt Begriffe und stilistische Ideen aus dem futuristischen Spektrum der Fiktion wie ein Karnevalskostüm. Doch die Text-Passagen werden nie konkreter als die schwammigen Konglomerate aus Female-Empowerment-Phrasen und fragmentierten Technologie-Referenzen. Auch wenn die Lyrics erfolgreich die surreale Energie ihres Charakters kanalisieren, faszinieren sie nicht nachhaltig.
Das ist enttäuschend, denn dieses erzwungene Beharren auf einer gewohnten Science-Fiction-Ästhetik hält "Am I A Girl?" davon ab, als das Pop-Album zu brillieren, das es hätte sein können. Von den konventionellen Popsongs wie dem Diplo-assistierten "Time Is Up" mit seinen eingängigen Funk-Anleihen oder "Fashion After All", das vermutlich eine der treibenderen Synth-Pop-Nummern des Jahres darstellt, bis hin ins experimentelle letzte Drittel der Platte. "Play Destroy" mit Grimes ist eine herrlich absurde Zerstörungsfantasie mit oberflächlich revolutionärem Teint, aber exzentrischen Gitarren-Läufen, die man gut und gerne so auch auf ein kommerzielles Metal-Album verfrachten könnte.
Wenn Poppy also einfach nur experimentierfreudige Popmusik produziert, gelingt ihr das nach wie vor einwandfrei. Nur futuristisch hört sich das alles nicht im Ansatz an. Dabei gäbe es viele Positivbeispiele für Kreuzungen aus Transhumanismus und Popmusik aus dieser Dekade, die dem ganzen vielleicht sogar näher kamen als Kraftwerk oder Aphex Twin. SOPHIEs "The Oil Of Every Pearl's Un-Insides", Janelle Monae von "The Archandroid" bis "Dirty Computer" oder auch das weniger narrative "Pop 2" von Charli XCX: All das sind Beispiele, wie man modernen Popsound in eine Ästhetik formen kann, die Poppys angestrebter Erzählung gerecht werden würde.
Aber nichts auf "Am I A Girl?" versucht wirklich, nach Zukunft oder Technologie zu klingen, außer den beiden gelungenen Ambient-Interludes. Poppy scheint eine Crossover-freundliche Version im Sinn gehabt zu haben, kommerziell, zumeist radiofreundlich und ziemlich poliert. Diesen Sound beherrscht sie beeindruckend gut. Warum muss das Projekt aber auf Teufel komm raus versuchen, sie als etwas anderes zu inszenieren, als sie es in dieser Form darstellt?
5 Kommentare mit 8 Antworten
Auf den ersten Horcher würde ich behaupten, daß das Thema eben perfekt intoniert wurde. Die Themen "Weiblichkeit/Männlichkeit", Identität usw. sind für oberflächliche Popsongs mit Möchtegernanspruch wie gemacht. Zumindest spiegeln die Songs ganz wunderbar, wie diese Themen im populären Diskurs behandelt werden.
Feminismus ist überover und im Westen leben wir bereits im latenten Matriarchat.
Tut mir leid, aber bitte treten Sie einen Schritt aus Ihrer Blase heraus und betrachten Sie die Realität. Matriarchat? Noch lange nicht. Aber mir ist bewusst, dass man sich als weißer Mann gerne bedroht fühlt, wenn die eigene Machtposition ins Schwanken gerät und eine andere Gesellschaftsgruppe auf einmal den gleichen Anspruch hat, wie man selbst, und man nicht mehr nach Belieben unterdrücken kann. Schade. Hätte mehr erwartet..
Echt ma Mundi. Beweg dich halt mal ein paar Schritte heraus aus deiner den Mutterkult zelebrierenden, naturvölkischen anarcho-futuristischen Alpenkommune und dann wirst auch du merken, dass das längst noch nicht überall so gut läuft.
Uff, bin gerade aus Meiner Blase gesteppt und fühle mich auf einmal so klein und unbedeutend.
*meiner
Baudi weg (wahrscheinlich Knast oder tot), Mundi weg (Femenopfer) und viele, viele andere der Altvorderen.
Mundi, Allah - Grüße gehen raus!
Baude still missing..
„....und viele, viele andere der Altvorderen.....“
Na dann wird es langsam Zeit, dass du dir zwei/drei Stunden Zeit nimmst um deine geschätzt‘ 30 Accounts zu löschen und dich dann zu verpissen!
Busfahri, ich war schon immer ein 1-Acc-Troll.
Aber ein grundguter, unterm Banner der Rechtgläubigen.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Kann man machen.
bin begeistert ♥