laut.de-Kritik
Die Geschichte wiederholt sich.
Review von Dani FrommWeniger zutreffend kam mir schon lange kein Albumtitel mehr vor: "Du Hast Mich Schon Verstanden". Dessen bin ich mir keineswegs sicher. Die aufgeregte, stellenweise hysterische Diskussion, die Prezident mit "Ich Geh Dir Liebend Gern Die Extrameile Auf Den Sack" losgetreten hat, stellte sich für den Durchblicks-Gewinn auch nicht gerade als zuträglich heraus. Zumal er ins schon lodernde Feuer hernach noch Benzinkanister um Benzinkanister leerte.
Was hab' ich nicht alles gelesen, in den letzten Wochen. Ellenlange Abhandlungen deklarieren Prezident zum Rassisten, zum Rechtspopulisten, zum Steigbügelhalter der AfD, zum Nazi-Rapper. Insbesondere der letzte Vorwurf läutet eine Glocke: Stimmt, deshalb kommt mir die Situation so verteufelt vertraut vor. Ich schrieb es schon einmal: Ich fühl' mich wieder wie Mitte der 2000er. Damals versuchte die politisch korrekte Welt fieberhaft, Fler aus dem Adler und der Frakturschrift auf dem Cover seines Albums, das obendrein - Himmel, hilf! - auch noch "Neue Deutsche (!) Welle" hieß, eine braune Gesinnung zusammenzuzimmern, gegen die man sich mit dem guten Gefühl, selbst ganz, ganz sicher auf der richtigen Seite zu stehen, herrlich einfach abgrenzen konnte.
Guck an, die Geschichte wiederholt sich: Ein, zwei Triggerwörter genügen, und die Assoziationskette läuft wie am Schnürchen. Prezident sagt "Grünenwähler" und "Vice-Emanzen" - eine Wortwahl, die man (das tu' ich durchaus auch) fragwürdig finden kann. Er sagt aber halt nicht, was ihm die Autoren der unzähligen empörten Artikel, besonders natürlich der in den namentlich geschmähten Medien, in den Mund legen: Auf Prezidents "Extrameile" treffe ich mal ziemlich genau so viele "Teddybärenwerfer" und "linksgrünversiffte Gutmenschen", wie ich in den Reaktionen darauf einer echten Auseinandersetzung mit dem begegne, das Prezident tatsächlich gesagt hat: etwa ... null.
"Journalismus wär' gern kritisch, doch die Fotze weiß nicht wie", stimmt schon. Keine Sau will sich aber den dreckigen Schuh anziehen, den wir da vor die Füße geschmissen bekommen. Warum auch? Ist ja viel einfacher, "Nazi!" zu plärren und Prezident mal eben zum Paria zu erklären, als sich mit seinem Vorwurf der in der Gesellschaft im Allgemeinen, in der Medienlandschaft im Besonderen regierenden Doppelmoral auch nur am Rande auseinander zu setzen. Die getroffenen Pavlovschen Hunde geifern statt dessen lieber los, auch wenn Prezident die gleiche Knöpfe zum zweiten und dritten Mal drückt.
Dass das wiederholt funktioniert, könnte möglicherweise verwundern. Dass es überhaupt funktioniert, verwundert dagegen kein Stück. Erstens wäre eine Debatte, in der ständig die Gefahr besteht, sich Schrammen im makellosen Selbstbild zu holen, anstrengend. Zweitens macht "Du Hast Mich Schon Verstanden" auch einfach auf mehreren Ebenen wenig Spaß. Musikalisch gehts noch: Jay Beaz und zweimal die Kamikazes bauen einem routiniert, aber halt ohne große Abwechslung im Vortrag flowenden Prezident angemessen angeschrägte Kulissen mit staubiger Boom-Bap-Schlagseite.
Dumm nur, dass sich für die Produktionen tatsächlich niemand interessiert: Dafür sorgt Prezident mit Texten, die partout anecken, sich aber nirgends festnageln lassen wollen. An einem Dialog (so wirkt es zumindest auf diesem Album, Begegnungen im "echten Leben" fallen tatsächlich in eine andere Disziplin) zeigt er sich kaum bis gar nicht interessiert. Er lässt sein Auditorium vielmehr unentwegt wissen, für wie retardiert, seiner unwürdig und zu theoretischer Debatte unbefähigt er alle anderen hält. Tja, it's lonely, auch at the intellectual top, scheint mir. Mitleid kommt trotzdem keins auf. Auf sein hohes Ross hat sich Prezident ja schließlich selbst gesetzt, um von oben herab in alle Richtungen auszuteilen.
... du hast mich tatsächlich schon verstanden: in alle Richtungen, nach links und rechts. Wer ernsthaft nach pro-rechten Statements sucht, wird feststellen, dass Prezident auch diese Klientel und ihren "Blödsinn wie die Volksgemeinschaft" schlecht gelaunt wie eh und je abwatscht. "Du Hast Mich Schon Verstanden" birgt keine pro-rechten Aussagen - weil es überhaupt keine Aussagen pro irgendetwas birgt. Das wiederum sollte niemanden überraschen, inszeniert sich Prezident ja seit jeher als der misanthropische Nihilist, der er wohl tatsächlich ist.
Inzwischen scheint er sogar die Verehrung derer gediegen satt zu haben, die ihn genau dafür seit Jahren feiern. Mit "Du Hast Mich Schon Verstanden" erzwingt er nun ein Verlassen der bequem ausgetretenen Rezeptions-Pfade. Dieses Album lässt sich nicht, wie seine Vorgänger, widerstandslos als Demonstration intellektueller wie sprachlicher Überlegenheit durchwinken. Dafür wirken die Provokationen an vielen Stellen zu plump. Die Hitlers und Höckes, die manche Line bevölkern, verstören mich zwar nicht unbedingt. Trotzdem ist das keine Gesellschaft, in der ich mich gerne aufhalten mag, wenn ich es mir aussuchen kann.
Auch wenn ich die Absicht zu durchschauen glaube, mit der Prezident die eine oder andere Formulierung wählt, stößt sie mir doch kein bisschen weniger unangenehm auf. Genau wie dieses Cover ... also, echt jetzt: Da kann man doch wirklich nur hoffen, dass einen mit dieser Platte bloß niemand sieht. Zumal der schlechte Witz ein alter ist: Das hat die Terrorgruppe auch schon gemacht, als die "Dem Deutschen Volke" ein Artwork widmete, und auch die waren bestimmt nicht die ersten. Kann mich nicht erinnern, dass der Aufschrei damals ähnlich grell war. Ist halt immer etwas anderes, ob eine Punk-Band mit Nazi-Symbolik spielt oder ein Rapper, der sich explizit weigert, Position zu beziehen.
Moment mal ... ist es etwas anderes? Wenn ja, warum eigentlich?
Na, weil einen, so lange eine unmissverständlich klare Positionierung ausbleibt, ständig das unbehagliche Gefühl beschleicht, vielleicht doch auf dünnem Eis über braunen Sumpf zu wandeln. Diese Problematik allerdings werden wir ganz alleine mit uns selbst abmachen müssen, eine Hilfestellung seitens Prezident steht nicht zu erwarten. Das macht er bereits im Intro deutlich. "Kein Song Gegen Pegida" für uns, "fuck you!" Einen für Pegida gibts aber halt auch wieder nicht, sorry.
Ich stelle fest, dass mich die Seitenhiebe auf die "verschiedenen Arten des Gutseins" (obwohl ich, schätze ich, gleich mehreren der bekrittelten Gruppierungen zuzurechnen bin), wenig treffen. Wenn Prezident wirklich glaubt, dass der Einzelne nichts verändern kann, dann finde ich das ein bisschen traurig, mehr nicht. Es ändert nichts daran, dass mir der Versuch, es wenigstens zu probieren, wertvoller erscheint, als miesepetrig am Rand zu stehen und nichts zu tun als das Engagement der Engagierten schlechtzureden. Die wirklich Engagierten halten den Miesepeter aus, da mach' ich mir wenig Sorgen.
Anders sieht es schon aus, wenn die Seitenhiebe in Richtung derer gehen, die ohnehin zu kämpfen haben. "Weil sie Frauen sind zum Beispiel, oder Tunten, oder Türken." Nicht sehr feinfühlig, Opfern von Diskriminierung vorzuwerfen, dass sie sich über Diskriminierung beklagen, nur weil selbige einen gerade zufällig selbst nicht betrifft. Andererseits, wer bei jeder sich bietenden Gelegenheit "Satire darf alles" schreit und die Freiheit der Meinung, der Rede und der Kunst für sich in Anspruch nimmt, muss das alles halt auch denen zugestehen, die vielleicht ein kleines Defizit im Empathiebereich spazieren tragen. Sagen darf jeder erst einmal alles, so lange er die Reaktionen auf das Gesagte erträgt.
Schade, dass in dem ganzen plakativen Trubel dieses Rants mit Ankündigung nicht nur die berechtigte (Medien-)Kritik vollkommen untergeht. Auch auf die wirklich, wirklich gelungenen Tracks schaut nach den sichtlich nach Aufregerpotenzial ausgewählten Vorabsingles vermutlich kaum noch jemand allzu genau. Dabei zeigen diese die lyrische Stärke Prezidents und seine scharfe Beobachtungsgabe in ihrer geschliffensten Form.
Der Doppelschlag "Rites De Passage / Pissen In Den Ozean" muss einfach jeden erwischen, der das Gefühl kennt, das sich auf Tour breitmacht. Alles cool eigentlich, aber doch auch desillusionierend, wenig glamourös und ungeheuer zehrend. In der zweiten Hälfte des Tracks stellt der Künstler sich selbst vor die Sinnfrage: Wenn in der Flut von Veröffentlichungen keine mehr nachhaltig zündet, wozu dann das alles? "Egal, wie viele Kids in dir 'nen Gott sehen, die Welt bleibt 'ne gleichgültig sich weiterdrehende Fotze."
"Das ist alles so absurd, merkt das keiner außer mir?", wundert sich Prezident direkt im Anschluss über die angesichts dröger Alltagsroutinen erschütternd wenigen Sinnkrisen bei seinen Zeitgenossen. Mit dieser Frage steht er keineswegs so alleine da, wie er vielleicht glaubt. "Reden Ist Silber" birgt ebenfalls viel Wahres: Gar nicht einmal so selten schlägt das Konzept "Klappe halten" die Strategie "Alles zerreden müssen" um Längen. "Bis es nichts mehr zu sagen gibt, und dann wars das. Schade."
20 Kommentare mit 31 Antworten
Ich mag den kerle ja, aber die Scheibe is mir dann doch a wenig zu weinerlich....
Muss ja n schlimmes leben für den dude/sein Hörer sein, so völlig allein unter Idioten die keinen Durchblick haben (aber yay, meta oder so, ne Aussage machen und jede erwartbare Reaktion mitzuvertonen um danach direkt den "ich habs euch ja gesagt" Finger zu zeigen und des dann als Fundament für n ganzen Album zu nehmen... Find ich jetzt auch n ziemlich langweiligen move)
Ich fand die Scheibe jetzt auch bisher nicht so stark. Sie wirkt wie ein großer Song ohne wirkliche hooks oder Highlights. Alles irgendwie gut aber alles auch irgendwie ähnlich und grau.
Prezident ist so'n bisschen dem PrinzPi-Syndrom Verfallen, der irgendwann jeden morgendlichen Haufen als geistige Großtat interpretierte, die jeder Kritiker einfach nicht versteht. Unter dem Deckmantel der Interpretierbarkeit und Meta-Meta-Ebene bleibt dann oft doch nur ein weiterer Rapper, der sich ganz unironisch für einen der unkritikabel besten hält und Provokationen und deren Folgen als Daseinsberechtigung nutzt sich an vage gehaltenen Gegnaz in allen Richtungen abzuarbeiten. Dazu eine Prise Politik mit dem Alleinstellungsmerkmal eines im Mainstream-Deutschrap unüblichen Duktus verbunden mit im Deutschrap nicht ganz unüblichen Skills. Aber ja, okay, alles ganz geistreich und mysteriös, nur dass diese hochstilisierte Chose sowohl seinerseits als auch der "Medien" (also ungefähr drei schon vorher komplett beschissene HipHop Seiten) eigentlich auch keinen Schwanz so richtig interessiert. Das ist alles so absurd, merkt dass jeder außer ihm?
Also Prezident und Pi sind, denke ich, denkgeleiteten denke ich, geistig auf ganz anderen Ebenen unterwegs. Hybris kann man ihm nicht absprechen, aber die ist halt auch nicht unbegründet. Pi hingegen ist Dunning-Kruger-Fallbeispiel.
Der Rick & Morty der Rapper. Circlejerk olé.
Ich finde die Debatte um Prezident ist sinnbildlich für viele Problematiken, die aktuelle Relevanz haben. Wir dürfen uns zu der Thematik Flüchtlingspolitik kaum negativ äußern, schon wird man ebenso verallgemeinert, wie manche eben auch gerne "Flüchtlinge" verallgemeinern. Das Gleiche ist übrigens auch beim Drachenlord der Fall, aber finde ich andere Entwicklungen paradox, da feiert man auf Partys zu Songs, die offenkundig Frauenfeindlich sind ab und findet es cool, wenn man Leuten Kugeln in den Kopf schießt. Natürlich, dass das zur Rapkultur dazugehört, aber ob das so unumgänglich ist, dass man in Texten nicht darauf verzichten kann finde ich dann doch fragwürdig.
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