laut.de-Kritik
Nicht Singer/Songwriter, nicht Rapper.
Review von Max BrandlVon Mal zu Mal wird es schwieriger, der Arbeit des Friedrich Kautz mit dem auf bestmögliche Neutralität geeichten Zollstock beizukommen. "Meine Musik zeigt Dir nur, wie beschränkt Du bist." kontert darauf der "Der Neue iGod" gleich zu Beginn auf einem schicken Retro-Konsolen-Beat – noch schwerer ist es, hierauf eine schlagfertige Replik zu finden.
Zum Ende der Platte klärt er im "Beweis Dagegen" die Fronten dann endgültig: "Tschüss deutscher Rap, hallo Musik, ich bin da.", sagt er dort. Dies jedoch nicht, ohne dabei gleichzeitig einer ganzen Reihe deutscher Ausnahme-MCs, u.a. Dendemann, Basstard, Tua und Casper die Aufwartung zu machen. Mein Schwierigkeiten, mich mit dem "Rebell Ohne Grund" anzufreunden, müssen ergo auf den rund 60 Minuten dazwischen liegen.
"Mit Prinz Pi hab' ich fast das Blumentopf-Problem. Theoretisch ist das alles super, aber so richtig kicken tuts mich nicht." Das trifft hier und nun auch für mich zu: Prinz Pi entwickelt sich, wenn man so will, zum Konsens-Rapper, der faktisch alles richtig macht. Egal, ob bärbeißige Rap-Journaille oder Süddeutsche Zeitung – man findet nur Lob für das jüngste Werk des "Auftrags-Studenten-Rappers", der das "Porno" im Namen längst abgelegt hat. Bleibt zu hoffen, dass Ecken und Kanten nicht folgen.
Pi hat zu keiner Zeit mit überragenden technischen Skills geglänzt und verfügt auch nicht über ein Titelblatt-taugliches Image. Sein Steckenpferd waren und sind Inhalte: In "Drei † für Deutschland" geht er gut informiert, sensibel als auch kritisch an ein Thema heran, das anderen Deutsch-Rappern meist als imposante Selbstverherrlichungs-Metaphorik dient. Er erzählt dort die Geschichte einer Mutter und Ehefrau, die erst ihren Mann und dann ihre zwei Söhne im und an den Krieg verliert.
Anders der "Marathonmann": Zwar kommt diese stolze Rückschau auf den eigenen Werdegang mit Fokus aufs Schuhwerk in einem fesch geschnittenen 80er-Trainingsanzug aus epischen Synthetiksounds längs gejoggt, aber trotz Unterstützung des Wieners Kamp nur schleppend voran. (Interessant ist auch, dass der Prinz den quasi-obligatorischen "Hurensohn" hier zwar ausspricht, in der Endfassung des Songs dann allerdings zensiert. Konsequent geht anders – so oder so.)
Temporeicher und am ehesten in Richtung "Neopunk" tendiert die "Generation Porno": Diese in eine spaßige Nintendo-Soundwelt eingebettete Kritik an der Jugendkultur ist durchaus mit Chuzpe und Expertise vorgetragen. Nur, unterstelle ich, dürfte sich weder die beschriebene Klientel für pfiffige Betrachtungen eines hippen Ü30ers, noch dessen Zielgruppe besonders für die Ausfälle der nachrückenden Generation interessieren.
Denn wie der Mann mit dem Wittgenstein auf dem Nachttisch in der übrigen Spielzeit klar macht, hat seinerlei inzwischen tiefer gehende Kämpfe auszutragen – jene mit dem anderen Geschlecht nämlich. Selbstredend arbeitet er diese nicht in Form von phallokratischen Allmachts-Phantasmen auf, sondern vielmehr von einer angreifbaren, teilweise sehr zerbrechlichen Warte aus:
Ob er nun in "Schlaflied" dem Kummer darüber statt gibt, seiner Tochter nicht mehr 'Gute Nacht' sagen zu können, in "Laura" endlich den Mut findet, einem verlorenen Menschen ein musikalisches Denkmal zu setzen, oder in "Eifer & Sucht" eines seiner "99 Probleme", die bei ihm allesamt vom Weibe herrühren, verarbeitet: Dieses Album ist mit Abstand sein persönlichstes. "Melancholie ist die Lederjacke meines Vereins" subsummiert er das. Die Kuhhaut, auf die die hier zelebrierte Schwermut passt, muss erst noch gegerbt werden.
Alles in allem wirkt "Rebell Ohne Grund" nun aber nicht wie das Ergebnis einer abgeschlossenen Entwicklung zu einem neuen Künstler, sondern eher wie eine weitere Zwischenbilanz einer gewachsenen Rap-Workaholics. Freilich resultiert das bei Friedrich Kautz immer noch in einem bedeutend höheren Niveau als das meiste, was bei Kollegen des Fachs als "Meilenstein" vermarktet wird. Wie schon gesagt: Pi operiert seit jeher an der eigenen Meßlatte.
Dies wiederum ist nicht zuletzt Biztram zu verdanken, der erneut nahezu im Alleingang jedem Song einen ganz individuellen Charakter verleiht: Ob akustische oder Punkrock-Gitarre, ob Marschtrommel oder Saxophon, ob kathedrales Orgeln, asiatisches Gezupfe oder nerdiger Chiptune – Biztram leistet hinter den Kulissen mindestens so gute Arbeit wie der Mann im Scheinwerfer selbst.
Dieser twitterte unlängst: "Bin ich eigentlich der einzige, der dieses Bürschchen James Blake NICHT sofort auf den Olymp heben mag wegen allseits gefälligem Post-Dubstep?". Da ich in den Beifall, den "Rebell Ohne Grund" momentan vielerorts erntet, nur zaghaft einstimmen mag, erlaube ich mir, abschließend frei nach dessen Worten zu urteilen: Ich bin meinetwegen gern der Einzige, der Prinz Pi gerade wegen dieses allseits gefälligen Albums nicht in jenen Olymp hebt, den er mit "Donnerwetter" das erste, aber hoffentlich auch nicht das letzte Mal erklommen hat.
66 Kommentare
Ich warte auf die ersten erbosten Kommentare: Massiv hat genauso viele Punkte wie Pi, Mamaaaa.
"Du bist" ist lame, Pi textlich immer zu sehr Oberlehrer, irgendwie uninteressant alles.
Ach ja, bitte: http://www.fuenf-filmfreunde.de/2009/08/12…
@Schnuppu09 (« mein gott abriss heißt abgehn, den club abgerissen, weils so abgegangen ist sorry aber wo lebst du denn mal nicht abwertend gemeint, ist das etwa ein regional beschränkter begriff? kann ich mir auch nicht vorstellen. »):
offensichtlich bin ich wirklich alt geworden.... fuck, und ich dachte das kommt erst mit der magischen 30.... oO
btw. stuttgart