laut.de-Kritik
Musik zum Aus-dem-Fenster-Springen. Guten Flug.
Review von Dani Fromm"20 Tracks. Zeitgenössische Melancholie auf Instrumentals von Private Paul. Features von BlaDesa, ODMGDIA, Scotch, Prezident." Mehr Worte geben Private Paul und Rotten Monkey ihrer Kollabo-Platte nicht mit auf den Weg. Keine Promo-Luftblasen von wegen "Endlich ist es so weit, das sehnlichst erwartete Album" oder "das nächste große Ding im Deutschrap". Danke dafür. Dabei träfen die es zur Abwechslung sogar. Wenigstens teilweise.
Natürlich wird, was Private Paul schon seit Jahren, wie sein Label, Emopunkrap nennt, niemals der nächste Trend. Darüber geben sich die beiden Protagonisten auch keinerlei Illusionen hin. Tiefschwarze, gallenbittere, todtraurige Selbsttherapie wird immer ein Nischenthema bleiben, adressiert an eine Zielgruppe, die "Ich Schreib" recht treffend definiert. Diejenigen aber, die sich, wenn schon sonst nirgends, so doch wenigstens hier zugehörig fühlen, die mit "Ende zwanzig, doch drei Zeilen Lebenslauf", die warten vermutlich tatsächlich ziemlich sehnsüchtig auf frisches Futter für die Playlist zum Durch-den-Regen-Laufen.
"Ich hab' Fans", dessen darf sich "Der Realste Rapper" gewiss sein. "Es sind nicht besonders viele. Doch sie wissen, dass ich nicht Rap mach', sondern Gefühle. Gefühle, die du auch kennst." Oh, so wahr. Private Paul deckt dabei keineswegs die volle Breite des Emotionsspektrums ab: "Ich seh' die Welt schwarz, Geldstapel werden daran nichts ändern." Bei ihm geht es immer, zu allererst, fast ausschließlich um den Bereich zwischen Aschgrau und - eben - Rabenschwarz. So überhaupt ein Farbtupfer durchrutscht, dann Rot. Wie Blut.
Dass die Dunkelheit auf "Live Fast Die Young" immerhin stellenweise zu Pastelltönen abgemildert auftritt, muss also daran liegen, dass Private Paul zwar immer noch abwechselnd total angekotzt oder vollkommen resigniert, aber dabei doch zumindest nicht mehr ganz alleine ist. Rotten Monkey passt wirklich bestens ins Bild. Der eine zuständig für Atmosphäre, der andere ein veritables Flowmonster. Beide teilen sich die Sicht auf die Welt, die verächtliche, frustrierte, garstige Attitüde derer, die jedes Mal alles geben, weil sie ohnehin nichts mehr zu verlieren haben. "Die einzige, die dich bis zum Schluss nicht loslässt, ist die Angst."
Wer das Gegenteil einer Mogelpackung sucht, in "Live Fast Die Young" wird er fündig. Gleich das schlicht "Intro" betitelte Intro lässt keinen Zweifel daran, wo die Reise die nächsten 18 Tracks lang hinführt. Hinterm akustischen Horizont brummt ein Insektenschwarm, bei dem es sich garantiert nicht um freundliche, fluffige, farbenfrohe Schmetterlinge handelt. Dazu ein Knistern, als brenne irgendwo irgendetwas. In diese unheilschwangere, aufgeladene Atmosphäre setzt Private Paul ein Sample, das, wo immer er es auch ausgegraben hat, den Geist dieser Platte auf den Punkt bringt.
"Ich kann nicht immer völlig allein weitermachen, mit diesen ... Menschen", triefen mindestens drei Liter Verachtung aus der Stimme des Sprechers, nachdem der Dialog zuvor zwischen Hass und totaler Kapitulation oszillierte. "Mir macht das Leben mehr Angst als mein verfickter Tod", deswegen steht schonungslose Offenheit an. Private Paul und Rotten Monkey, "nachtaktiv und giftig", heißen "Willkommen Im Dreck" und nehmen wirklich keinerlei Rücksicht. Auf niemanden. Nicht auf andere, und auf sich selbst schon dreimal nicht.
Das Resultat: "Musik, die die meisten an ihre Grenzen bringt. Musik zum Aus-dem-Fenster-Springen." Oder eben Musik, die einen davor bewahrt, genau das zu tun, weil manchmal die banale Feststellung, nicht ganz alleine dazustehen, schon genügt, um einen vor dem allerdümmsten Schritt zu bewahren.
"Heute bin ich gut drauf", tönt es aus dem "Untergrund". Huch, das gibts auch? "Heute bin ich im Blutrausch." Ah, verstehe. "Ich mach' kaputt, was mich langweilt." Ein Blick aufs aktuelle Rapgeschehen zeigt: Da dürfte so schnell keine Langeweile aufkommen. "Keine Modekollektion, keine Hantelbank, keine Lambos im Video. Ich mach' nicht den Hampelmann für Kids im Netz." Private Paul und Rotten Monkey hätten sich gar nicht so explizit abgrenzen müssen: Dass sie nicht zu den Schablonenrappern, den Handpuppen der Industrie, nicht zu denen, die unter dem "Diktat nichtssagender Klickzahlen" stehen, zählen, offenbar sich in jedem Vers.
"Jeder deutsche Rapper ist ein Hurensohn. Ich glaub', ich hab' es noch nicht genug betont: Jeder deutsche Rapper ist ein Hurensohn." Ihr Fett bekommen allerdings nicht nur die Kollegen, sondern auch die Konsumenten weg, die sich lieb- und seelenlos am Fließband produzierten Scheiß willen- und kritiklos andrehen lassen: "Rapfans sind dümmer als man denkt, selbst wenn man denkt, sie sind dümmer als man denkt." Eine Feststellung, die einen, gerade beim Blick auf die Charts, immer mal wieder besuchen kommt.
Kein Wunder, dass man da als Überlebensstrategie eine gepflegte Menschenfeindlichkeit entwickelt. Sich abschotten hilft, macht aber halt auch wieder einsam. Immerhin gestatten Private Paul und Rotten Monkey handverlesenen, gleichgesinnten Gästen den Zutritt in ihre Kissenburg. Darunter, der eingangs zitierte ausufernde Pressetext verriet es ja schon, den König der Misanthropen, Prezident: "Handfeste Sozialphobien oder einfach ungesellig? Müßig, sich da festzulegen." Die Empfehlung liegt auf der Hand: "Gib dir Whiskeyrap. Gib dir Emopunkrap. Vergiss den Rest."
Das Outro - Überraschung, es heißt "Outro"! - schlägt den Bogen zurück zum Anfang. Dort umriss ein Sample, was gleich zu hören sein wird. Nun, am Ende, fasst eins zusammen, was bis eben noch zu hören war, eine Zusammenfassung der Motivation dieser beiden angeknacksten Jungs: Die einzige ansatzweise funktionierende Methode, um angesichts der eigenen Abgründe nicht den Kopf zu verlieren, bietet das Schreiben. Der fast versöhnliche Sound lässt hoffen, auch wenn sich am Ende des Tunnels doch wieder nur ein Loch fand. Vielleicht tut es trotzdem nicht mehr ganz so weh, jetzt. Ist es besser? Wenigstens ein bisschen? Oh, bitte!
7 Kommentare mit 5 Antworten
Warte die Kommentare ab. Von seinem Erstling damals gefielen mir 3 Tracks ziemlich(!) gut, den Rest musste ich allerdings von der Platte werfen.
"Handfeste Sozialphobien oder einfach ungesellig? Müßig, sich da festzulegen."
Großartig.
Uff. Ich bin noch unentschlossen. Ich mag Pauls Musik und weiß, dass er gute Sachen abliefert. Aber ich weiß auch, dass ich da sehr empfänglich bin und mich da stark runterziehen lasse. Ich würd's schon gerne hören, weiß aber nicht, ob ich mir wirklich die nächsten Wochen versauen will.
ich fands tatsächlich nicht sooo depri wie auch schon.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
fett fett fett
Haha, ungehört 0/5.
Dani ritzt sich wohl gerne. Alberne First-World-Problems-Mucke wie Degenhardt oder was Dani sonst so feiert.
Für Neuleser hier: Dies war eine Albumkritik, wie Dani sie sonst gerne mal verfasst (siehe Beginner-Albumkritik).
bist du dicht?
bist du dicht?
Denyo, bist du es?
>> "Rapfans sind dümmer als man denkt, selbst wenn man denkt, sie sind dümmer als man denkt."