laut.de-Kritik

Keine Hooks, wenig Melodien: Witch House geht die Luft aus.

Review von

Fünf Jahre tourten sich Purity Ring die Seele aus dem Leib und schrieben ansonsten nur ein paar Songs für Katy Perry. Die Fanseele darbte, gelang es doch keiner anderen Band seither, den speziellen, poppigen Witch House der zwei Kanadier würdig zu imitieren. Nach etwas affigem Vorabgeplänkel in den Sozialen Medien ist "Womb" nun da und ordnet sich schon qua Albumtitel in die bisherigen, arg haptischen Lyrics des Duos ein.

Das Album erzählt die abstrakte Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau. Hatten wir schon mal, aber bleibt ja interessant und läuft hier wesentlich blutiger ab. Die Lyrics wirken erneut wie das Storyboard zu "Kuso" von Flying Lotus. Passend zu diesem persönlicheren Ansatz vermittelt "Womb" deutlich mehr als die beiden Vorgänger den Eindruck, die Tracks seien um Megan James und ihre Stimme herumkomponiert. Diese ist in ihrer Pummeluffhaftigkeit angeblich nicht verzerrt, sondern lediglich in ein anderes Stimmregister gepitcht. Das ist durchaus glaubhaft, denn andere Effekte wie Hall halten sich ebenfalls in engen Grenzen.

Der Musik mit dieser Entscheidung ein Wesensmerkmal des Witch House zu nehmen, ist durchaus konsequent, denn das Songwriting nähert sich 2020 bis über den Berührungspunkt hinaus dem Pop an: Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, fin. Leider ist James' Stimme zwar gut, in ihrer steten Midtempo-Süße aber auch schnell ermüdend. Die Songs fühlen sich auf gehobenem Niveau handwerklich gut, aber seelenlos an, und das liegt nicht an der dem Witch House immanenten Kühle. Es fehlen Hooks, es fehlen packende Melodien, es fehlen Synth-Bögen, die über ein pflichtschuldiges Aufheulen hinausgehen. Der vergebliche Versuch, James' Stimme in den Vordergrund zu rücken, lässt sie nackt dastehen.

Der Großteil der Songs fundiert auf einem stabilen Bassgerüst mit elektronischer Ornamentierung, im Refrain steht die Stimme dann oftmals pathetisch allein ("I Like The Devil"). Der gelegentlich angestrebte transzendentale Effekt ("Peacefall") stellt sich weder ein, noch öffnet sich eine zweite Ebene. "Stardew", noch dazu die Leadsingle, ist dafür viel zu schematisch und bricht nie aus dem eigenen faden Korsett aus. Der Song könnte ein 2005er-Remix eines Robyn-Songs ein.

Fast alle Tracks leiden massiv unter dem Fehlen eines Spannungsbogens. Das Kalkül, die Stimme werde es schon richten (siehe das völlig egale "Sinew" oder der zweite Teil von "Vehemence"), geht aufgrund fehlnden Drucks im Sound und der Malen-nach-Zahlen-Struktur ("Peacefall") nicht auf. Hinzu kommen schmalzige Instrumentals ("Pink Lightning"). Der Opener "Rubyinsides" zeigt, wie es besser gehen würde: Der Bass fügt sich ein in den verschrobenen, flächigen Sound. Die Richtung Drone gehende Produktion von "Almanac" gibt mit der tiefen, gekoppelten Echo-Stimme und James' Stimme genug Raum zum Wachsen und eine Kontrastfläche.

"I Like The Devil" zeigt derweil schon zu Beginn, dass man nicht Rob Zombie sein muss, um den Beelzebub gut zu finden. Der bouncende Beat treibt voran und liefert die Varianz, die der Stimme fehlt. Doch dann reißt der lahme Refrain samt schmalziger Klavier-Bridge alles wieder ein, ein Crescendo fehlt komplett. Auch aus "Silkspun" nehmen die Kanadier nach interessantem, flirrenden Beginn völlig grundlos den Druck raus. Das Songwriting von Purity Ring ist auf "Womb" somit nicht nur überraschend klassisch, es ist vor allem langweilig.

Trackliste

  1. 1. Rubyinsides
  2. 2. Pink Lightning
  3. 3. Peacefall
  4. 4. I Like The Devil
  5. 5. Femia
  6. 6. B1 Sinew
  7. 7. Vehemence
  8. 8. Silkspun
  9. 9. Almanac
  10. 10. Stardew

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