laut.de-Kritik
Für die einen generisch, für die anderen eine Genre-Offenbarung.
Review von Yan VogelTodd La Torre gibt derzeit das Bild eines zufriedenen Mannes ab. Er veredelt mit seinen exorbitanten Vocals den neuen Output von Queensrÿche und zeichnet darüber hinaus auch als Schlagzeuger verantwortlich. Seit 2017 weilt der etatmäßige Drummer Scott Rockenfield im unbefristeten Vaterschaftsurlaub und klöppelt lieber die Rassel als die Drumsticks zu schwingen.
Macht schon diese Doppelaufgabe La Torre zum MVP des aktuellen Line-Ups, drückt er der Band auch durch die Ausrichtung seinen Stempel auf. Die Jahre des Schlingerkurses, den viele Fans und Bandmitglieder mit dem Namen Geoff Tate verbinden, sind gezählt. Man erinnere sich nur an "American Soldier, "Dedicated To Chaos" oder den Queensrÿche-Ableger Operation: Mindcrime unter Tates Federführung. Das Prog-Metal-Flaggschiff segelt wieder auf Kurs der mehrheitsfähigen Klassiker "The Warning", "Rage For Order" oder "Operation: Mindcrime". Entsprechend halten sich die Überraschungen in Grenzen. Dem Großteil der Fans dürfte das vorliegende Material ein freudiges Kopfnicken entlocken.
Mit dem selbstbetitelten Album von 2013, dem düsteren und verkopften "Condition Hüman" sowie "The Verdict" sprechen die verbliebenen Ur-Mitglieder Michael Wilton und Eddie Jackson ein klares Urteil ab, wer in Sachen Originalität und Deutungshoheit das Sagen hat. Im Vergleich zum Vorgänger gehen die Amis wieder deutlich kompakter und zupackender zu Werke. Die ersten drei Tracks stellen Lehrstücke in Sachen süffiger Metal-Bonmots dar. Einprägsame Vocals, dezente metrische Highlights, Doppel-Leads und vielgestaltige Riffs lassen "Blood Of The Levant", "Man The Machine" und "Light-Years" als Highlights der Marke "NM 156" oder "The Needle Lies" erscheinen.
Das im Midtempo gestaltete "Inside Out" platzieren Wilton und Co. als Atempause. Mit "Propaganda Fashion" mit seinem AOR-Refrain und Morello-DJing sowie dem mit Synths und perlenden Clean-Gitarren versehenen "Dark Reverie" greifen sie tief in die Experimentenkiste.
Weitere Highlights hören auf die Namen "Bent" und "Launder The Conscience" und verdienen die Bezeichnung Prog-Metal tatsächlich. In diesen Songs finden sich schöne Parts, die nicht ausufern, sondern schlüssig miteinander verbunden sind. Mit "The Verdict" verscherzen es sich Queensrÿche nur mit den wenigsten Anhängern. Allerdings dürfte der ehemalige Big-Seller auch keine neuen Fans dazugewinnen. Für die einen generisch, für die anderen eine Genre-Offenbarung.
1 Kommentar
Es gibt so wenige Bands, die nach Experimenten und Neuausrichtungen erfolgreich back to the roots gegangen sind. Und Queensryche gehören auch nicht dazu.
Hätten sie besser mal den Stil von der 2013 LP beibehalten, anstatt jetzt alten Fans hinterher zu hecheln. Die neuen Alben klingen nämlich für Old School Queensryche zu modern produziert und nicht poppig genug, eher wie Standard Power Metal ohne Wiedererkennungswert.