laut.de-Kritik
Hat den Appeal lauwarmen, alkoholfreien Biers.
Review von Dani FrommAus alt mach neu. Das ist keine ganz neue, aber an sich auch keine schlechte Idee. Der erklärte Meister des Kuschel-R'n'B greift einmal tief in seinen über die Jahre angewachsenen Fundus, schraubt und poliert ein wenig an beinahe schon historischen Tracks herum und serviert diese dann als Remix-Cocktail. Dass dieser zu bedauerlich einheitlicher Plörre gerät - ich hätte das im Leben nicht erwartet.
Okay, wir haben es mit R. Kelly zu tun. Sich bei diesem Herren darüber aufzuregen, dass er einen mit Schmacht- und Schmuse-Sounds einlullt, käme der Verwunderung darüber gleich, dass Nas plötzlich rappt. Nein, gegen eine gute Portion Schlafzimmermusik ist nichts, aber auch gar nichts einzuwenden - aber muss es eine derartige Überdosis sein? Ich zitiere mal wahllos: "Come over here and let me take off your clothes." "Lay your body next to me." "It's time to have sex." "I want you to sex me." Dann aber, Obacht: "You're the only one my heart desires." Holla, plötzlich dreht es sich ums Herz?
Bei aller Liebe zu klaren Ansagen und den Freuden des Fleisches. Mr. Kelly, ein klein wenig subtiler darf es schon sein. Außerdem: Übertreiben wir nicht ein bisschen? Tracks aus 14 Jahren auszuwählen und sich dabei auf eine einzige Thematik und durchgehend auf die gleiche Stimmung zu gedämpftem Licht zu beschränken - das ist armselig und zudem bocklangweilig. Nein, danke. Ich möchte mich nicht setzen. Auch die Schuhe würde ich lieber anbehalten. "I know you like it"? Wenn sich da mal nicht jemand fatal irrt.
Die Arrangements erweisen sich als produktionstechnisch absolut auf der Höhe der Zeit. Kellys Songs verfügen - wenn man von der inhaltlichen Ödnis absieht - über hübsche kleine Versatzstücke. Ein amtlich schnulziges Saxophon und Percussion machen den Reiz von "Slow Dance" aus. Hätte ich geahnt, was noch droht, ich hätte mir die Verwunderung darüber, eine Party, die noch gar nicht angefangen hat, gleich im ersten Track verlangsamen zu wollen, gediegen gespart. Dezent im Hintergrund halten sich Klavier ("Sex Me", "I Can't Sleep Baby"), akustische Gitarre ("Bump'n'Grind") oder klassische Streicher ("Step In The Name Of Love"). Die Mundharmonika in "Your Body's Callin'" könnte glatt bei Stevie Wonder ausgeborgt sein, ebenso das überaus angenehm dahin klimpernde Barpiano.
An Stellen, an denen eine sparsame Instrumentierung erklingt, offenbaren sich aber erhebliche Schwächen: R. Kelly tönt, wenn er gerade nicht jeden wehrlosen Vokal zu Tode knödelt, nicht wirklich stimmgewaltig. Er erinnert stellenweise eher an Kermit den Frosch. Einen Vergleich, der mir, besonders im Hinblick auf den missglückten Jodelversuch am Ende von "Feelin' On Yo Booty“, schon fast ein wenig unfair dünkt - gegenüber dem grünen Kollegen.
Warum so böse, Frau Fromm?
Tatsächlich ärgert mich an "Remix City" am meisten, dass die Möglichkeiten, die die Kunstform Remix geboten hätte, so umfassend verschenkt wurden. Die Chance, in den schlüpfrigen Einheitsbrei eine Spur Fett, Wucht und Feuer einzurühren, ihm vielleicht sogar eine andere als die ursprüngliche Schlafzimmeratmosphäre zu verleihen: Sie wurde grandios vertan.
Die Versuche, sich Reggaeton, Dirty South oder gar Ragga zu eigen zu machen, haben sämtlich den Appeal lauwarmen, alkoholfreien Biers. Da nützt auch hochkarätige Schützenhilfe von Fat Joe, den (als einzigen) wahrhaft überzeugenden YoungBloodZ oder Dutty Rocker Sean Paul nichts: Für den dreckigen Süden gerät "Burn It Up" viel zu keimfrei, "Slow Wind" für eine schwitzende Dancehall, in der tatsächlich der Sex regiert, um Welten zu zahm.
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