laut.de-Kritik

Ich wäre auch so gern Yung Hurn!

Review von

Vielleicht wird es langsam Zeit, auch in Deutschland die Messlatte für Cloud-Rap-Hypes ein wenig höher zu legen. In Zeiten, in denen wir Yung Hurn, LGoony, Young Kira und experimentellere Rapper wie Bambus oder Harry Quintana haben, brauchen wir zweitklassigen Trainhoppern wie RIN eigentlich keine gesteigerte Aufmerksamkeit mehr zuteil werden lassen. Dies war zumindest mein Eindruck im Vorfeld dieser Review. Der Eigenwert des Schwaben mit bosnischen Wurzeln schien sich nicht auf mehr als den einer verwässerten Hurn-Kopie zu belaufen, einen darüber hinaus gehenden Appeal habe ich zumindest nie wahrgenommen.

Entsprechend gesenkter Erwartungen näherte ich mich also "Eros", RINs kommerziellen Debüt, und sehe mich mit einem irritierenden Wechselbad an Eindrücken konfrontiert. Klar, dass er in Sachen Attitude oder Vocal-Präsenz immer noch ein ziemlicher Klotz am Bein der Beats ist. Aber, dayum – diese Beats! Mit einem virtuosen Produzentenumfeld von Lex Lugner und Minhtendo klingt diese Platte durch die Bank fantastisch.

Besonders IloveUPeters Instrumental für "Bass" ist ein Weltenbrecher, das Zusammenkommen von lethargisch verhangenen 808-Bässen mit magischen, psychedelischen Synthesizern zwischen 8Bit und LSD sorgt für einen Vibe, der sich problemlos eine ganz eigene Sparte im Cloud Rap-Genre sichert. Was ab diesem Punkt eigentlich ein kompletter Selbstläufer sein dürfte, lässt sich trotzdem nicht vorbehaltlos genießen. RIN ist nämlich immer noch da.

Die Kritikpunkte an seinem Vortrag gehen an dieser Stelle weit über die komplette Abstinenz von guten Texten (tatsächlich funktionieren die ein oder anderen naiven Liebes- oder Fashiontropen hier oder da sogar ganz solide) oder seine Inkompetenz als Rapper und Sänger (trotz Autotune beläuft seine Reichweite sich etwa auf eine halbe Oktave) hinaus. Sein Songwriting wirkt schlicht zu aufgesetzt und erlernt als intuitiv umgesetzt. Übersee-Vorbilder wie Chief Keef, Lil B, Lil Uzi Vert oder Lil Yachty müssen hier nicht einmal herhalten, es reicht allein der Blick auf seinen österreichischen Wegbegleiter Yung Hurn.

Diese beiden ähneln sich nicht nur auf den ersten Blick, sondern teilen auch viele Stärken und Schwächen. Fehlendes Vocal-Training kompensieren sie mit charakterlicher Präsenz, einem Auge für Songwriting und Melodien und einem schiefen Humor. RIN kompensiert hier aber wesentlich weniger, und die Ideen, mit denen er seine Charakteristiken umsetzt, wiederholen sich insbesondere im Kontext des Albums sehr schnell sehr oft. Themen wiederholen sich, Muster wiederholen sich, Adlibs, Flows, Pattern und Hookansätze hört man fast immer mindestens ein paar Mal, was ihm im Rahmen eines gesamten Projekts sehr schlecht zu Gesicht steht.

Insgesamt ist es eine gemeine Aufgabe, einen Beat-orientierten Single-Artist auf Albenlänge zu bewerten. Die Songs für sich, insbesondere "Bass", "Vagabundo" und "Gamma", reihen sich problemlos in jede Party-Playlist ein. Doch spätestens nach dem ersten Hoch kristallisiert sich auf offensichtlichen Fillern wie "Arrêté", "Nightlife", "Doverstreet" oder "Colette" heraus, dass RIN die Songs schlicht nicht trägt.

Er beschäftigt sich eher damit, seine Running Gags und limitierten Tricks wieder und wieder anzuwenden. Da die zunehmend an Wirkung verlieren, fällt es schwer, den Einzeltracks zu viel Respekt zu geben. Gerade auf Songs wie "Ich Will Dass Du Mich Brauchst" wirkt er gegen den gigantischen Beat so lieblos und langweilig, dass man in erster Linie daran denkt, was ein spannenderer Performer aus einem solchen Brett hätte herausholen können.

Das Potenzial ist definitiv da. Es hat seinen guten Grund, warum bereits mehrere Tracks von RIN zu kleinen und größeren Hypes avancierten. Dennoch tut ihm der Vergleich mit seinen Genregenossen wie Yung Hurn oder LGoony einfach weh. Auf die volle Länge des Projekts zeigt sich, dass RIN auf seinem Gebiet einer der limitierteren und wenig facettenreichen Vertreter ist.

Wer ein schön klingendes, gut produziertes Tape zum Abschalten und Rumhängen sucht, ist mit "Eros" wohl nicht schlecht beraten, wird es sich aber wahrscheinlich sowieso früher oder später auf ein paar einzelne Songs für die Playlist herunterbrechen. Insgesamt demonstriert dieses Album, statt dringend benötigte neue Seiten zu zeigen, nämlich nur, dass RIN als Künstler bisher recht schnell an seine Grenzen stößt.

Trackliste

  1. 1. Intro / Liebe
  2. 2. Blackout
  3. 3. Bass
  4. 4. Bros
  5. 5. Vagabundo
  6. 6. Arrêté (Skit)
  7. 7. Ich Will Dass Du Mich Brauchst
  8. 8. Dizzee Rascal Type Beat
  9. 9. Doverstreet
  10. 10. Nightlife
  11. 11. Gamma
  12. 12. Colette
  13. 13. Sag Mir Wenn Du High Bist
  14. 14. Monica Bellucci
  15. 15. Arethe Franklin Freestyle

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