laut.de-Kritik
Ein japanisches Wintermärchen.
Review von Daniel StraubDas in Chicago beheimatete Label Hefty verlangt seinen Zuhörern stets einiges ab, fordert sie immer wieder aufs Neue heraus. Das ist mit ein Grund, warum die Veröffentlichungen bei Fans rund um den Globus geschätzt werden. Die neueste Veröffentlichung dürfte da keine Ausnahme machen. "Odori" ist das Debütalbum des japanischen Projekts Radicalfashion und verbindet auf eigentümliche Weise Klassik und experimentelle elektronische Musik.
Kopf des in Kobe gegründeten Projekts Radicalfashion ist Hirohito Ihara. Schon früh kommt er mit klassischer Musik in Berührung. Wie so viele japanische Kinder erhält er Klavierunterricht. Eine Erziehung, die auf "Odori" ein durchgängiges Motiv ist. Gleich der erste Track "Opening" unterstreicht die klassische Klavierbildung von Ihara. Auch mit "Photo Dynasmo" kurz vor Ende kehrt Ihara noch mal zu seinen Wurzeln zurück.
Die traditionelle Klaviererziehung ist jedoch nur die eine Seite von Ihara. Die Neugier und das Experiment sind die zweite. Elektronische Klangerzeugung und -manipulation vervollständigen das Bild und machen "Odori" zu dem, was es ist: einem Album der Gegensätze. Tradition und Moderne treffen hier mitunter in einem Track zusammen. Klassische Melodiefragmente einerseits, elektronisch erzeugte Geräusche andererseits machen den Charakter des Longplayers aus.
Da scheint es nur folgerichtig, wenn man "Odori" in die Nähe der Arbeiten von Ryuichi Sakamoto oder Steve Reich rückt. Beide haben bereits die unterschiedlichen Sphären Klassik und Elektronik verbunden. Während bei Sakamoto und Reich der konzeptionelle Überbau entscheidend ist, wirken die Tracks von Radicalfashion eher improvisiert, wie gleichsam sponton festgehaltene Skizzen, die beim Komponieren entstanden sind.
Das macht "Odori" zu einem Album, das sich über die volle Spielzeit eine erstaunliche Leichtigkeit bewahrt - ein japanisches Wintermärchen. Damit ist Radicalfashion einer der interessantesten Acts, die derzeit auf Hefty Records veröffentlichen.
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