laut.de-Kritik

Bildgewaltige Klangcollagen aus Kung-Fu-Dialogen, Scratches und Soul.

Review von

Im Grunde ist es nicht fair: Musen sind, wie jeder weiß, treulose Luder, die jeden Tag einen anderen küssen. Raekwon aber muss mit der seinen siamesisch verwachsen sein - sein Backkatalog zeigt einfach immer noch keine Durchhänger. Oder der Chef beherrscht tatsächlich die seltene Kunst, das Maul zu halten, wenn ihm nichts einfällt.

"Shaolin Vs. Wu-Tang" reiht sich in seine prächtige Diskographie jedenfalls wunderbar ein: Kein bahnbrechend innovatives Meisterstück liefert Rae damit ab, wohl aber - weit mehr, als manch anderer von sich behaupten kann - überaus solides Material, das Wu-Addicts weltweit Freudentränen in die Augen treiben wird.

Man sollte meinen, die alte Nummer mit den Martial Arts-Film-Schnipseln, orchestralen Streicher-Samples und düsteren Bässen müsste sich irgendwann totlaufen. Nix! So lange sich aus Kung-Fu-Film-Dialogen, Stimmengewirr, Geräuschen und, ja, Soul derart bildgewaltige Klangcollagen bauen lassen, darf man das Konzept meinetwegen gerne weiter reiten.

Wie präzise platzierte Jabs landen die Bässe auf dem Zwerchfell. Dreckig knarzender Sound begleitet "Every Soldier In The Hood", während "Silver Rings" sogar eine Art Country-Gefühl herauf beschwört. Scratches, Vogelgezwitscher und eine asiatisch angehauchte Melodie locken ins "Snake Pond", wo der einsetzende Beat den Nackenwirbeln derbe zu schaffen macht.

Streicherloops finden ihren Platz, Bigband-Appeal, melodisch perlende Harfenklänge - und doch bleibt alles so unmittelbar, unverrückbar auf den Straßen, denen der Wu-Tang Clan entsprang - wie zum Geier geht das? Es klingt so einfach - und scheint, da es so selten gelingt, doch so schwer umzusetzen: Die richtigen Produzenten basteln die richtigen Beats für die richtigen MCs.

Es wäre das erste Mal, dass Raekwon auf einem seiner Solo-Alben tatsächlich solo an den Start geht. Einmal mehr versammelt sich am Mikrofon, was - nicht ohne Grund - Rang und Namen hat. Raes unerschütterlicher, stetiger Flow passt, das bewies nicht erst das gemeinsame "Wu Massacre" - wie die Faust aufs Auge zu Ghostface Killahs vertrackter Poesie und Method Mans leicht vernuschelten Zeilen.

Nach all den Jahren sind sie allesamt immer noch so hungrig. Man möchte es eigentlich gar nicht glauben. Wie heiße Messer durch Butter schneiden die Stimmen. Wer die Eier hat, sie zu füllen, darf meinetwegen die ganze Nacht lang auf dicke Hose machen: "We love it, can't stand it, you read the Wu manual, we found it, stay grounded, we will, we still scrambling." Äh, was soll man dem entgegnen, wenn nicht "Hold your fire"?

Eine Hookline, wie sie Estelle zu "Chop Chop Ninja" beisteuert, ließe sich problemlos als Werbejingle verwenden. R'n'B-Sänger Raheem DeVaughn tönt in "From The Hills" wie ein entmannter Justin Timberlake. Beide Parts, die einem in anderen Kontexten die Socken ausziehen würden, fächern die gebotene stilistische Bandbreite noch weiter auf und zeigen, gerade weil sie so fehl am Platz erscheinen, so viel Wirkung.

In die entgegengesetzte Richtung führen Rick Ross, Lloyd Banks oder Black Tought. Auch Nas und Busta Rhymes schauen vorbei, an den Reglern gastieren unter anderem Scram Jones, the Alchemist, natürlich Mathematics - und DJ Khalil. Das synthetische Monstrum, das er für "Rock N Roll" erschaffen hat, wirkt nicht etwa wie ein nasser Waschlappen im Gesicht der über den Haufen gerannten Erwartungen. Das hier geht schon eher als Waterboarding durch.

"Shaolin Vs. Wu-Tang" funktioniert Track für Track, sollte aber tatsächlich so genossen werden, wie es konzipiert wurde: als Gesamtkunstwerk, am Stück. Dann offenbart sich der ausgefuchst arrangierte Variantenreichtum nicht nur, er springt einem mit der Fackel in der Hand direkt in die Fresse. Und jetzt? "Somebody please call the fire department."

Trackliste

  1. 1. Shaolin Vs. Wutang
  2. 2. Every Soldier In The World feat. Method Man
  3. 3. Silver Rings feat. Ghostface Killah
  4. 4. Chop Chop Ninja feat. Inspectah Deck & Estelle
  5. 5. Butter Knives
  6. 6. Snake Pond
  7. 7. Crane Style feat. Busta Rhymes
  8. 8. Rock N Roll feat. Ghostface Killah & Jim Jones
  9. 9. Rich And Black feat. Nas
  10. 10. From The Hills feat. Method Man & Raheem DeVaughn
  11. 11. Last Trip To Scotland feat. Lloyd Banks
  12. 12. Ferry Boat Killaz
  13. 13. Dart School
  14. 14. Molasses feat. Rick Ross & Ghostface Killah
  15. 15. The Scroll
  16. 16. Masters Of Our Fate feat. Black Thought
  17. 17. Wu-Chant (Outro)

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