laut.de-Kritik
Ska-Punk in der Hafenbar: ein Auf und Ab.
Review von Steffen EggertDas nunmehr zehnte Album der Hamburger Ska-Punk-Institution hätte bereits im Januar 2022 erscheinen sollen, fiel dem (Veer-)Mastermind Torben Möller-Meißner aber deutlich zu düster aus. In der Konsequenz löschten Rantanplan alle bereits aufgenommenen Songs wieder von den Bändern und spielten ein komplett neues Album ein. Dafür gebührt ihnen höchster Respekt, dem ein oder anderen Corona-Output hätte eine solche Entscheidung sicher auch gut getan.
"Ahoi" sollte laut Möller-Meißner "von vornherein ein positives Signal sein, Aufbruchstimmung vermitteln, Kraft und Hoffnung transportieren. Nichts davon traf letztendlich zu, und das einzig Positive waren die Corona-Tests". Diese Absicht, soviel darf bereits vorweggenommen werden, ist an einigen Stellen wirklich deutlich spürbar.
Der Titeltrack fährt direkt mit allem auf, das eine etablierte Ska-Punkband zu bieten haben sollte: amtliche Riffs, große Melodien, ein ordentlicher Bläsersatz und der sofortige Anflug guter Laune. Mit den breiten Chören an den genau richtigen Stellen erinnert das Ganze durchaus positiv an die großen Mighty Mighty Bosstones, und jeder Genre-Connaisseur schmeißt die Bank um, auf der er gerade sitzt. Textlich mit allerlei Seefahrer-Metaphern ausgestattet, setzt der Kahn die Segel.
Gegen die Zerstörung der Welt beziehungsweise des Hamburger Mikrokosmos halten Rantanplan ein "Plädoyer Für Die Elbmündung" und machen dabei wirklich alles richtig. Uptempo-Ska, hymnischer Punk-Chorus, gute Laune trotz ernstem Thema, hier passt alles. Bei nahezu gleicher Geschwindigkeit nimmt das räudige "Seeräuberlied" mit leichten Noise-Anleihen Anlauf zum harten Entern. Die Bläser sind schon zu Hause, die übrigen Punker gehen in die Hafenbar. Man bekommt ernstlich Lust, im Keller nachzusehen, ob noch Festival-Equipment existiert. Man möchte am liebsten gleich packen!
Doch bei maritimen Alben, wie auch im echten Leben, kommt nach dem Aufwind die Flaute. "Ozeanische Liebe" klingt leider im Gegensatz zu den drei wirklich coolen Vorgängern nach völlig uninspirierter Indie-Disco. Allerweltriff und Ohoho-Chöre könnte man noch durchgehen lassen, nicht aber den furchtbar flachen Text, der sicherlich jeden Mark Forster-Fan zu Tränen rührt. Ähnlich verhält es sich mit dem (zugegeben musikalisch ja echt netten) Indierocker "Sturmvögel", der sich des völlig durchgenudelten Spruchs über die von Freiheit singenden, zahmen Vögel bedient. Derartiges gehört auf runzlige Aufkleber an rostige Stoßstangen oder als Klebebuchstaben auf Baumarkttapeten. #livelaughlove. Furchtbar.
Die Welt ist finster, lass' uns tanzen! Guter Gedanke, die Ska-Akkordfolgen haben uns die 1990er als nicht verbrauchten Überschuss überlassen, aber das geht absolut klar und man spürt wieder etwas Seewind in der Frise. "Alles Dreht Sich" ist angenehm tanzbar, aber textlich leider nicht weniger plump. "Ich kleb' an dir wie ein Süchtiger"? Naja.
Nicht wirklich aufregend, aber sympathisch kauzig wünschen sich die Hamburger anstatt Straßen einen Fluss, auf dem dann Schiffe fahren, keine Autos ("Wenn Die Straße Ein Fluss Wäre"). Es geht um rauchen, trinken, Fußball und ein wenig heile Welt im Freundeskreis. Banal wie einige lyrische Ergüsse aus der Hamburger Schule, aber echt kein Grund, ihnen böse zu sein. Es geht bergauf. Äh, ich meine, Wind in die Segel. Pardon! Die Wolken brechen auf, und "So Viel Schon Erlebt" knüpft erfolgreich musikalisch wie textlich an den starken Anfang von "Ahoi" an. Straighter, mitreißender Gute-Laune-Punkrock, authentischer Carpe-Diem-Appell, mir steht vor angenehmem Erstaunen die Luke offen. Iso-Matte suchen, es geht wieder los! Hier benötigt man nicht einmal Blechblasinstrumente, lediglich kompositorisches Geschick und Spirit.
"Süßwasser" bringt dezent die Bläser zurück, es bleibt dabei angenehm punkig, und auch lyrisch gibt es keinen wirklichen Grund, um zu meckern. Wir sind auf der Reeperbahn und nicht im Philosophiegrundkurs, ja, ja, alles gut. Das Gleiche beim geil orgeligen "Ich Will Meer" (über das alberne Wortspiel breiten wir einfach mal den Friesennerz des Schweigens). Man spürt hier weiterhin seine Beine und bekommt endlich wieder das, was man sich ins Haus holen wollte: Ska und Punk.
Textlich mehr als stabil, um nicht zu sagen hochwertig, ist natürlich "Land In Sicht", das hat nämlich Rio Reiser zu Ton Steine Scherben-Zeiten geschrieben und mit seiner damaligen Band aufgenommen. Viele gute Scherben-Cover gibt es bekanntermaßen nicht, das hier kann man Rantanplan getrost durchgehen lassen. Ein wenig fröhlicher als das Original, ein paar melancholische Ecken und Kanten, aber grundsätzlich echt gelungen.
Doch genug der Höhepunkte, wir erreichen jetzt den Boden des Hafenbeckens. "Dich Rufen" ist eine traurige Ballade mit schrabbelig-angezerrtem Akkorden und lahm wie ein auf Grund gelaufener Fischkutter. Schreckliche Zwangsreime, völlig deplatzierte Ahahas und Ohohos und eine Mariachi-Trompete, die so traurig bläst, als habe sie verstanden, was man ihr gerade antut. Warum?
"Schleichfahrt Of The Heart" schlägt stimmungsmäßig etwa in die gleiche Kerbe, wenn auch etwas flotter, aber jetzt dürfte endgültig der Punkt erreicht sein, an dem auch dem verwegensten Matrosen die ständigen maritimen Metaphern arg auf die Nerven gehen. "Schiff ohne Hafen", "Meer Ohne Grenzen". Nee.
Flaute fertig, "Windträume" geht dankenswerterweise wieder in die richtige Richtung und strahlt sogar glaubhaft etwas Fernweh aus. Melodiöser, punkiger Ska, ich wiederhole mich, kein neu erfundenes Rad, aber eines, das ganz hervorragend rollt. "Ein Zwei Drei" schwimmt wieder im ähnlichen Fahrwasser und beschäftigt sich mit der Endlichkeit des Lebens, und wenn man nicht auf den Text achtet, kann man den Song so stehen lassen.
"Ahoi" nimmt uns mit auf eine regelrechte Berg- und Talfahrt, obwohl es so etwas auf dem Meer bekanntermaßen nicht gibt. Hätte man einige der Stücke im Proberaum gelassen, wäre es ein würdiges Jubiläumsalbum geworden. So halt nicht.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Noch kurz zur Info: "Wenn die Straße ein Fluss wär" ist auch ein Cover. Das Original ist von Funny van Dannen
Aua, das hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Danke für den Hinweis!