laut.de-Kritik

Schnörkelloser Nullerjahre-Indie wie zu guten alten Zeiten.

Review von

"Razorwhat?" nannten die britischen Razorlight selbstironisch ihr Best-Of-Album. Sie sind nie wirklich in der Gegenwart angekommen, das Soloalbum von Sänger Johnny Borrell verkaufte sich so mies, dass sogar die eigene Plattenfirma Witze über die rund 600 verkauften Exemplare machte. Den anderen Mitgliedern - teilweise durch jüngere Musiker ersetzt - erging es nicht viel besser. So dürfen sich Fans der Originalbesetzung 2024 wieder auf die Rückkehr von Andy Burrows, Björn Ågren und Carl Dalemo freuen, dem Rest der Welt dürfte das allerdings ziemlich egal sein.

Dabei hat die Band ein so hartes Schicksal nicht verdient; ihr letztes Album "Olympus Sleeping" von 2018 war solide, und aus ihrer Hochphase in den Nullerjahren sind auch ein paar große Hits übrig geblieben. "Wire To Wire" war 2009 der groß angelegte und erfolgreiche Versuch, einen Hit zu landen. Die pompöse Ballade ist jedenfalls besser gealtert, als viele komplett vergessene Kritikerlieblinge von damals. Johnny Borrell hat nach wie vor ein Händchen für Indie-Rock, der gut ins Ohr geht, nur juckt britische Rockmusik aus der Nullerjahre-Schule dummerweise derzeit niemanden, außer man entwickelt den Sound in eine erwachsene Pop-Richtung wie die Arctic Monkeys.

Razorlight bleiben auf sicherem Pop-Terrain. Eine gute Entscheidung, wie "Zombie Love" zeigt. Solche Feel-Good-Nummern können eigentlich brutal nerven, aber Razorlight bekommen den Dreh hin, dass es wie ein sehr verspäteter Sommersong klingt. Auch "U Can Call Me" ist ein äußerst schmissiger Schunkler, mit einer einprägsamen Keyboard-Melodie und einem Sänger, der immer noch Bock auf große Stadien hätte, wenn man ihn nur lassen würde.

Etwas ruhiger ist "Planet Nowhere" trotzdem geworden, wahrscheinlich auch dem Ankommen in der Realität geschuldet, in der Lebensmitte. Die Briten klingen tatsächlich glücklich auf dem Album, weil sie zu ihrer Einfachheit stehen und darin nichts Schlechtes sehen. Oder wie ihr Produzent zu Beginn der Aufnahmesessions sagte: "Razorlight ist doch ganz einfach, oder? Eine treibende Bassline, treibende Drums und eine Geschichte." Sollte man diesen anderen The-Bands auch mal rundmailen, die seit Jahrzehnten nach ihrer mitreißenden Frühform suchen.

Frühform bedeutet im Falle von Razorlight nicht wirklich die erste Reihe des britischen Indie-Rock-Movements. Da konnte sich Borrell auf Festivals wie ein zweiter Led Zeppelin-Sänger aufführen, aber den Single-Hits stand immer einiges an Füllmaterial auf den Alben gegenüber. "Planet Nowhere" verfügt auch nicht über genügend großartige Momente, um die Londoner nochmal ins ganz große Licht zurückzuholen, aber die Scheibe läuft auf eine angenehme Art und Weise durch.

Egal welches Lied man zuerst auswählt, die Vorgaben des Produzenten wurden strikt eingehalten: Die zehn kurzen Pop-Rock-Nummern verweigern sich dem Risiko oder Wünschen nach Weiterentwicklung komplett. Auch der so provokant ausgewählte Songtitel "Taylor Swift = US Soft Propaganda" entpuppt sich als Dad-Pop, der auch ins Programm der erwähnten Pop-Beherrscherin des Mainstreams gepasst hätte. Die übrig gebliebenen Fans jetzt noch zu verschrecken, wäre vielleicht auch keine nachvollziehbare Entscheidung. "Planet Nowhere" bleibt ein Normalo-Rock-Album, das perfekt in Zeit passt, in der Durchschnittlichkeit in der aktuellen Popmusik das neue Cool zu sein scheint. So gesehen geht vielleicht doch noch was für Razorlight.

Trackliste

  1. 1. Zombie Love
  2. 2. U Can Call Me
  3. 3. Taylor Swift = US Soft Propaganda
  4. 4. Dirty Luck
  5. 5. Scared Of Nothing
  6. 6. F.O.B.F.
  7. 7. Empire Service
  8. 8. Cyclops
  9. 9. Cool People
  10. 10. April Ends

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Razorlight – Planet Nowhere [Vinyl LP] €24,99 €3,00 €27,99

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Razorlight

Wie bei vielen Bands stellt sich auch bei Razorlight die Frage, wie viel Platz ein Frontman einnehmen darf. Oder kann eine Band gar ausschließlich auf …

Noch keine Kommentare