laut.de-Kritik
Die Rückkehr des Depeche Mode-Emotionsdirigenten.
Review von Michael SchuhEin Klangteppich, wie er nur aus Alan Wilders Denk- und Rechnerfabrik stammen kann, leitet "Subhuman" wabernd ein, sich einen Dreck um kommerzielle Songschemata scherend. So kennt und liebt man den ehemaligen Depeche Mode-Soundtüftler, dessen größte Befriedigung auch nach siebenjähriger Musikabstinenz noch immer in der Erforschung und perfektionistischen Umsetzung narrativer Klangwelten liegt.
Es benötigt auch 2007 wenig Fantasie, sich vorzustellen, wie Wilder im langwierigen Kompositionsprozess von der kompletten Außenwelt abgeschottet im Homestudio seine zumeist düsteren Pfade beschreitet, hier Spuren schichtet, dort Brücken baut und irgendwann bei einem atmosphärischen Acht-Minuten-Instrumental angelangt ist, das im Prinzip gar keiner Stimme mehr bedarf.
Doch Alan Wilder liebt Stimmen und noch viel mehr die persönliche Entscheidungshoheit über deren Auswahl. Mit der Google-Akquisition des Stimmtalents Joe Richardson hebt er seinen über die Jahre etwas vorhersehbar gewordenen Trademark-Sound auf ein neues Level.
Richardsons Eröffnungsworte "Deep down in Louisiana" korrelieren hervorragend mit den erdig-sumpfigen Untiefen, aus denen die Stimme des texanischen Blues-Boys zu entweichen scheint. "You better pray, boy, pray" krakeelt er im Chor-Refrain, der Wilder zu einem rocklastigen Arrangement anspornt und auf einen der mächtigsten Breaks des Albums hingroovt.
Ganz anders die zweite und bereits letzte Gaststimme auf "Subhuman", Carla Trevaskis. Mit sanfter Intonation und leicht an die Stimme der früheren Recoil-Gastsängerin Toni Halliday (Curve) erinnernd, meistert sie das Wilder-typische Elektronik-Stück "Allelujah", dessen cinematographische Suggestionsgewalt den Briten nach wie vor als großen Emotionsdirigenten ausweist. Ein Song, wie er allerdings auch schon auf "Liquid" (2000) hätte auftauchen können.
Das sehr traditionell umgesetzte "5000 Years", neben "Backslider" ein Song, für den ausnahmsweise Sänger Richardson das Grundgerüst beisteuerte, dürfte Wilders Elektronik-Fangemeinde auf eine harte Probe stellen. Aus dem Wust von Gitarren, Galeeren-Shoutings, Trommelwirbeln und keifenden Harps ertönt Richardsons Klagegesang und macht deutlich, was der 48-jährige Recoil-Chef in Interviews mit dem "starken Charakter" seiner Stimme meinte.
Man darf trotzdem bedauern, dass er es nicht wagte, mit dem Texaner einmal ein vollständiges Album aufzunehmen. Die Stimmungen, die hier aufeinander prallen, klingen aufregend und lassen sich mit keinem anderen derzeitigen Künstler vergleichen. Der grandiose Elektro-Slide-Blues "The Killing Ground" ist eines dieser Beispiele.
Fairerweise muss man anfügen, dass Carla Trevaskis ebenfalls eine ansprechende Leistung abliefert. Das mit elfeinhalb Minuten längste Albumstück "Intruders" gerät im Verbund mit kurzen Einlagen Richardsons zu einem weiteren trance-artigen Album-Highlight.
Die abschließenden Songs gehören wieder dem Blues-Man. "99 To Life" könnte man als eine Fortsetzung von "Prey" bezeichnen, im surrenden "Backslider" spürt man vermeintlich mit jeder Pore die gleißende Sonne eines Wüstenreservats. Auch hier begeistert der ständig präsente elektronische Unterbau, den Wilder seinerzeit schon dem Demo des bluesigen Depeche Mode-Hits "Personal Jesus" angedeihen ließ.
"Subhuman" ist in Zeiten eines unüberschaubar gewordenen Marktes an elektronischer Musik keinesfalls ein vernachlässigenswertes Album. Wilders größtes 'Problem' dürfte das öffentliche Soundstigma aufgrund seiner Mitgliedschaft in der erwähnten Popband sein, obgleich Recoil-Songs seit Jahren in einer ganz anderen Liga spielen.
Wem es außerdem gelingt, zwei solch unterschiedliche Stimmen wie die von Richardson und Trevaskis in einen stringenten Albumfluss zu integrieren, hat weitestgehende Aufmerksamkeit verdient. Über das etwas alberne Cover sehen wir daher auch großzügig hinweg.
2 Kommentare
Echt gutes Album..
Allelujah ist eines der besten Songs, die ich je in meinem Leben gehört habe. Hut ab, Alan!