laut.de-Kritik

Auch auf dem Karriere-Gipfel wirkt sie wie das Anti-Starlet schlechthin.

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Einen dunklen Parka trägt sie, als sie dick eingeigelt am Flughafen in London eintrifft, darunter einen blauen Kapuzenpullover, später eine Pelzmütze mit Bärenohren. Richtig unscheinbar wirkt Regina Spektor in den Anfangsszenen ihrer Live-DVD, so richtig "down to earth", wie das Anti-Starlet schlechthin. Sie singt in der Eingangssequenz unter der Dusche, drückt fasziniert an der Klimaanlage ihres Nightliners herum und schreitet vergnügt die große Bühne im legendären Hammersmith Apollo ab.

Dort durften vor ihr nur die ganz Großen der Rockgeschichte ran: Bowie, Springsteen, Metallica, Iron Maiden. Auch Live-Alben aus dem Apollo haben eine lange Tradition: Depeche Mode waren dort, Slipknot, Motörhead sogar gleich zwei mal.

Und nun die zierliche Spektor, geboren in Moskau, ein bisschen studiert in London und Israel, musikalisch sozialisiert in der längst legendären Antifolk-Szene von Greenwich Village, New York. Der Durchbruch gelang ihr mit "Soviet Kitsch", "Far" aus dem Jahr 2009 erreichte Platz 3 der US-Charts. Nun also London als vorläufiger Höhepunkt einer exponentiell steigenden Karrierekurve, aber auch ein posthumer Nachruf auf ihren Cellisten Daniel Cho, der im Sommer 2010 im Genfersee ertrank und am Ende der DVD mit einer Bilderstrecke gewürdigt wird.

Am Tag nach dem Unfall spielte Spektor ein dem Vernehmen nach hochemotionales Konzert beim Montreux Jazz Festival. Man mag sich nicht ausmalen, wie ein Live-Mitschnitt davon aussehen würde. In London ist Cho noch am Leben, das mehrköpfige Streicherensemble begleitet Spektor mal flirrend, dann staatstragend, meist jedoch sehr dezent durch die 22 Songs des Live-Albums, die in der Mehrzahl von "Far" und ihrem vierten Album "Begin To Hope" stammen.

Beide Formate, Audio und Video, rücken Spektor in den Mittelpunkt. Ihr Klavierspiel ist virtuos, ihr Gesang prononciert und ganz nah bei den großen Femmes Fatales des Indie Rock: Ani DiFranco, Tori Amos, Kate Bush. Das Storytelling ihrer wichtigsten Songs, von "Us" über die High Fidelity-Hommage "Fidelity" bis hin zu "Laughing With" wirkt manchmal zwar etwas trivial, zumeist aber dank all seiner kleinen, literarischen Querverweise und Knopfdruck-Gefühligkeit herzerwärmend.

Die drei neuen Songs des Live-Albums dagegen sollten als spröde Spoken Word- und Rock-Skizzen sowie beschwingtem Country-Shuffle allein kein Anschaffungsgrund sein. Dass die beinahe hysterische Begeisterung des jungen Publikums am Ende der Songs etwas arg plakativ nach vorne gemischt wurde, hätte auch nicht sein müssen.

Regie bei dem Konzertfilm hat mit Adria Petty übrigens die Tochter eines gewissen Tom Petty geführt, die bisher nur mit einer blutleeren Dokumentation über Paris Hilton aufgefallen war. Mit relativ statischen, manchmal seltsam milchigen Bildern aus den Publikumsreihen fängt sie Spektor auf der Bühne ein.

Am Ende geht es mit der Handkamera raus zu den Fans. Spektor malt Herzen auf T-Shirts, zuletzt friert die Kamera ihr Lachen ein. Es war ja auch eine kalte Dezembernacht, vor etwa einem Jahr in London.

Trackliste

  1. 1. On The Radio
  2. 2. Eet
  3. 3. Folding Chair
  4. 4. Sailor Song
  5. 5. Blue Lips
  6. 6. Après Moi
  7. 7. Dance Anthem Of The 80′s
  8. 8. Silly Eye-Color Generalizations
  9. 9. Bobbing For Apples
  10. 10. Wallet
  11. 11. Ode To Divorce
  12. 12. That Time
  13. 13. The Calculation
  14. 14. Machine
  15. 15. Laughing With
  16. 16. Man Of A Thousand Faces
  17. 17. Hotel Song
  18. 18. Us
  19. 19. Fidelity
  20. 20. Samson
  21. 21. The Call
  22. 22. Love, You’re A Whore

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