laut.de-Kritik
Jeder verdient eine zweite Chance.
Review von Sven KabelitzMit jedem neuen Album hat ein Künstler eine neue Chance verdient. Mit jedem neuen Release gilt es, den Kopf von Vorurteilen freizuspülen. Mag der Anfang der Karriere auch noch so gruselig aussehen: Niemand weiß, wohin die künstlerische Entwicklung noch gehen mag. Sonst bestraft man sich am Ende nur selbst.
Die Karriere von Rick Astley, zusammengefasst auf "The Best Of Me", liefert da ein gutes Beispiel. Wir folgen seiner Emanzipation von den Stock Aitken Waterman-Anfangstagen mit dem als Song wie als Prank und Meme vollends ausgelutschten "Never Gonna Give You Up" bis hin zur neuen Single "Every One Of Us". Der extra für die Compilation aufgenommene Song entgeht dabei den Schicksal vieler Best-Of-Extras, die meistens den Charme von Resteverwertung haben, sondern zählt zu den stärksten Liedern aus Astleys später Phase.
Für all jene, die "Never Gonna Give You Up" aufgegeben haben, gibt es vom Debüt ja immer noch dessen Klon "Whenever You Need Somebody". Gleicher Einstieg, gleicher Song, aber infolge dezenter Akzente heute frischer klingend. Dazu das schmissige "Together Forever" und die Weihnachtsschnulze "When I Fall In Love". Beim Cover der alten Victor Young- und Edward Heyman-Nummer läuft der Schmalz so dick aus den Boxen, dass sie schon beim kleinsten Windstoß Gefahr laufen, quer durch den Raum zu flutschen.
Ricks erste selbstgeschriebene Single "She Wants To Dance With Me" vom Album "Hold Me In Your Arms" hielt sich vom Schema her noch arg an die Produktionen seines damaligen Produzententrios. Erst danach wurde es mit "Cry For Help" und dem Album "Free" spannend. Der mit dem nun schon vor zwanzig Jahren verstorbenen Rob Fisher, einst Teil des Duos Climie Fisher, geschriebene Song verfügt über Einiges an Soul und Gospel. Leider das einzige Stück, das es von dem Longplayer, auf dem der Sänger auch mit Elton John, Michael McDonald (The Doobie Brothers, Steely Dan), Mark King (Level 42) und diversen Jazz-Musikern zusammen arbeitete, auf die Best-Of schaffte. Der kurz nach einem emotionalen Zusammenbruch Astleys veröffentliche Flop "Body & Soul" bleibt leider ganz außen vor.
2001 erschien "Keep It Turned On", das dem Briten zumindest in Deutschland mit "Sleeping" noch einen kleinen Radio-Hit einbrachte, danach war bis auf gelegentliche Lebenszeichen 15 Jahre lang Ruhe im Karton. Rick Astley verpuppte sich. "My Red Book", quasi sein "Black Album" (Prince), zog er 2013 kurz vor der Veröffentlichung wieder zurück.
2016 gelang ihm mit "50" ein ebenso überraschendes wie gelungenes Comeback als ernstzunehmender Soul-Musiker, das es bis auf die Spitzenposition der englischen Albencharts schaffte. Das Hobbyprojekt, das der Sänger aus reiner Freude an der Musik in seinem Keller aufnahm, entstand in Eigenproduktion. Er schrieb alle Lieder alleine, übernahm erstmals nahezu alle Instrumente. Das Highlight hier stellt das schummrige "This Old House" mit seinem dunklen Basslauf und einigen Madchester-Querverweisen dar. Der Nachfolger "Beautiful Life" schloss 2018 nahtlos an "50" an.
"Never Gonna Give You Up (Pianoforte)", in dem Astley seinen größten Hit nur zur Klavierbegleitung singt, stimmt schon einmal gelungen auf die zweite CD voller Neuinterpretationen ein. Diese fallen mal gelungen, mal okay und mal langweilig aus. Bereits der Opener "Together Forever (Reimagined)" zeigt, wie weit er sich teilweise von den Originalaufnahmen entfernt. In dieser Soul-Jazz-Version bleibt kaum etwas beim Alten. "Beautiful Life (Reimagined)" erhält einen gehörigen Flamenco-Touch.
Doch leider macht er es sich in den Arrangements dann doch zu oft einfach, fährt die Songs bis auf das Klavier zurück. Dies bietet einerseits Raum für seine stimmlichen Fähigkeiten, doch gerade die Stücke, in denen er einen anderen Weg wählt, zeigen, wie viel aufregender diese CD hätte ausfallen können.
Egal ob Rick Astley, Rihanna, Ariana Grande oder Andreas Möller: Wir alle verändern uns, entwickeln uns weiter. "The Best Of Me" zeigt dies sehr deutlich. Wir sollten nicht ewig auf die Fehler, die wir einst gemacht haben, reduziert werden. Wir hätten sonst alle wahrscheinlich ein sehr trauriges Leben.
4 Kommentare
ja verdammt! schön gesagt. Ich persönlich halte ja "Beautiful Life" noch immer für eines der besten und sonnigsten Popalben der letzten 20 Jahre. Total guter Musiker und sympathischer Typ.
Pop ist nicht mein Hauptfach. Höre ich trotzdem gerne hin und wieder Astley war damals nicht so wirklich mein Ding. Die Sachen von Stock Aitken Waterman folgten halt auch immer dem gleichen Muster. Waren damit aber auch mega erfolgreich. Deswegen ist mir nicht so ganz klar, welche Fehler Astley gemacht haben soll die man ihm verzeihen möchte? Ein Kind der damaligen Zeit gewesen zu sein? Auf jeden Fall gefällt mir der Stil seiner letzten 3 CDs richtig gut. Seine Stimme klingt zudem heute besser als früher. Dieses Glück hat auch nicht jeder Sänger.
Ich bin dem Autoren im wesentlichen einer Meinung. Viel besser als diese ******* Rezi hier: https://bit.ly/32Rri0P
Jo jetzt ist mal wieder gut mit der Lobhudelei für einen abgehalfterten 80er Poptoyboy hier!
Was kommt als nächstes?
4 Sterne Bewertungen für K-Pop?
Werbung für unterdurchschnittliche Lautsprecher? Eine Neubewertung für Advanced Chemistry?