laut.de-Kritik
Schimmernder Shoegaze-Klassiker mit überlebensgroßem Opener.
Review von Kerstin KratochwillDas zweite Album nach dem bereits als Instant-Classic beschriebenen Debüt "Nowhere" (1990) katapultierte die Band aus Oxford endgültig in den Shoegaze-Himmel: "Going Blank Again" von Ride enthält nicht nur die kommerziell erfolgreichsten Songs des Quartetts, sondern mit "Leave Them All Behind" oder "OX4" geradezu Hymnen des Genres.
Mit scheinbarer Leichtigkeit beantworten Ride damit die Frage nach dem berühmten zweiten schwierigen Album, indem sie Melodien zum Verlieben mit einer schimmernden Produktion (von Alan Moulder) verschmelzen, in der psychedelischer Shoegaze mit popseligem Indieflair eine Einheit bildet. Getragen wird all das auch von Mark Gardener und Andy Bell, die nicht nur in Sachen Vocals harmonieren, sondern auch als Songschreiber-Duo.
Gänsehaut entsteht schon ab der ersten Sekunde des Hörens, wenn sich - getragen von einer der besten Basslines der Indiepop-Geschichte - aus den ersten zitternden Herzschlag-Tönen des achtminütigen Openers "Leave Them All Behind" ein überlebensgroßer Song aus Schichten von Sounds herausschält und sich in ein rauschhaftes, tanzbares wie droniges Etwas verwandelt, das einen atemlos zurücklässt. Was soll danach denn noch kommen? Noch neun weitere Songs, die allesamt unterschiedliche musikalische Einflüsse atmen und dennoch unverkennbar Ride sind.
"Twisterella" ist ein luftiger Pop-Song mit Motown-Vibes und Madchester-Anklängen à la The Stone Roses. "Chrome Waves" wurde als Reminiszenz zum Trip Hop-Hit "Unfinished Sympathy" von Massive Attack konzipiert. Und "OX4" schlägt schließlich den emotionalen Bogen zu ihrem Dreampop-Meisterwerk "Vapour Trail".
Bevor Ride mit der Reunion 2014 erneut zu alter musikalischer Größe wuchsen, änderte die Band jedoch unglücklicherweise ihre musikalische Richtung und schloss sich 1994 mit "Carnival Of Light" dem Britpop-Hype an. Keine gute Entscheidung, wie auch Gitarrist Andy Bell (der allerdings ironischerweise eine Weile als Bassist und Songschreiber für Oasis fungierte) konstatierte: "Als das zweite Album herauskam, waren wir zu viel auf Tour. Wir waren müde. Wir haben uns dann eine Auszeit genommen, aber es war zu viel Auszeit". 21 Jahre Auszeit waren dann scheinbar jedoch genau richtig, denn wie heißt es in ihrem Song "Polar Bear" vom ersten Album so schön "You should make your own time, you're welcome in mine".
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Tracks 1,4,9 und 10(!!) sind sehr starke Nummern von Ride und eignen sich für Einsteiger.
Verdienter Stein. LTAB ist wirklich der Wall Of Sound. Carnival of Light war gar nicht sooo schlecht, nur wesentlich ruhiger, leicht folkig zum Schluß raus. Anspieltipp: Birdman, Moonlight Medicine.
Ich mag tatsächlich sehr die beiden Comeback-Alben, etwas kompakter und schneller auf den Punkt gebracht, schöne Melodien, auf jeden Fall kein Alte-Herren-wollens-nochmal-wissen-Ding.
Sie kommen die Tage wieder auf Tour (die letzte war mein letztes Konzert vor langer Corona-Pause), ist das schon was neues angekündigt?
Ah, jetzt kapiert: "Play Nowhere", 30th Anniversary Tour
Naja, macht man heutzutage wohl so ...
Dann halt doch alte Herren