laut.de-Kritik
Der Song, an dem er scheitert, muss erst noch geschrieben werden.
Review von Eberhard DoblerWas hat sein Soul, den der anderer nicht hat? Schwierige Frage, gerade bei einem Genre, in dem Musiker Gefühl wie Expertise gleichermaßen beweisen wollen. Zuallervorderst ist Roachford aber so etwas wie kompletter Musiker: Gitarre, Vocals, Klavier, Songwriting - quasi das Gegenteil von einem Interpreten.
Dann natürlich: Erfahrung. Der 51-Jährige ist eine feste Größe im britischen Soulgeschäft und mittlerweile langjähriger Mike & The Mechanics-Sänger. Auf seiner neuen Platte covert Roachford nun samt Band und Hilfe des kanadischen Soulfachmanns Robert Strauss ausschließlich - von einer Eigenkomposition abgesehen. Der Londoner interpretiert zumeist bekannte Stücke, die ihn emotional bewegt oder künstlerisch geprägt haben.
Dabei reicht die Bandbreite bis hin zu John Lennon, Paul Weller und den Red Hot Chili Peppers - eigentlich erstaunlich, aber: "Ich bin mit Jazz und Soul aufgewachsen und habe als Teenager mit The Clash im Studio gearbeitet. Ich stecke Musik nie in Schubladen, ich höre Musik, die mich berührt".
Und gleich der elegante Soulpop-Clubtune "Family Affair" (Sly & And The Family Stone, 1971), der als Opener kraftvoll aus den Boxen pumpt, bestätigt die Annahme: Andrew Roachford besitzt das nötige musikalische Potential, um sich fremde Songs respektvoll anzueignen und trotzdem etwas anderes daraus zu stricken.
Bei "Ain't No Sunshine (Bill Withers, 1971), ein Song von dem endlos Coverversionen existieren, dreht er deutlich an der Temposchraube. Leicht gehen Roachford natürlich die persönlichen Idole wie Stevie Wonder ("I Don't Know Why I Love You", 1968) und Bill Withers (das gospelorientierte "Grandma's Hands", 1971) oder stilistische Verwandte à la Simply Red ("Holding Back The Years", 1985) von der Hand. In diese Kerbe schlägt auch seine eigene Soulpop-Ballade "Having You Around", die sich geradezu unauffällig in die Reihe der Klassiker stellt.
Im Popbereich belässt er Elton Johns "Your Song" (1970) als Ballade, ähnlich wie David Grays "This Year's Love" ("1999") - ein gefundenes Fressen für einen emotional begabten Sänger.
Interessanter bleiben da schon die Stücke, die von Roachford stilistisch am weitesten entfernt sind: Das Drogen inspirierte "Under The Bridge" (Chili Peppers, 1991) passt dabei am wenigsten in Roachfords Kosmos. Entsprechend gewöhnungsbedüftig kommt seine soulig geradlinige Version, die im letzten Drittel an Stärke zulegt.
Näher am Original, wenn auch Piano betonter bleibt Wellers "You Do Something To Me" (1995). Aus John Lennons "Imagine" (1971) wird in bester Roachford-Manier wieder eine waschechte Ballade. Unterm Strich bleibt gefühlt der Eindruck: Der populäre Song, an dem der Musiker Roachford so richtig scheitert, muss erst noch geschrieben werden.
Noch keine Kommentare