laut.de-Kritik
Ein paar Hymnen und ein paar auf's Maul.
Review von Amelie KöpplNichts mehr verlieren zu können ist ein hartes Schicksal. Für Rogers bedeutet dieses Gefühl gleichzeitig Freiheit. Zumindest propagieren sie genau das zu Beginn ihres zweiten Albums.
Was damit gemeint ist, wird schnell deutlich: Denkende Menschen haben es schwer. "Manchmal wünschte ich, ich wär genauso wie ihr / Und alles wär so schön einfach [...] Wir bereuen nichts von alledem, was wir hinter uns lassen", sinnieren die Punkrocker, die eigentlich keine sein wollen, in "Hoch Die Tassen". Weiter geht es - musikalisch übrigens ganz in der Tradition deutscher Neopunks wie Frau Potz oder Escapado - mit dem Hass auf 9 to 5 auch in "Steh Auf". Anti alles für immer?
Nicht ganz. Zeilen wie "Egal, wo ich geboren bin / Ich hab gleiches Recht wie ihr / Genauso wie jeder von euch / So wie alle Menschen hier" ("Zugvögel") vertreten ganz klar den Standpunkt von Rogers: Fremdenhass ist scheiße, braune Socken sowieso.
"Eure Zeit" legt mit abgespeckten Gitarrensoli und gesteigerter Aggro-Attitüde eine Schippe Hass auf das unreflektierte Gemüt vieler ihrer Mitmenschen drauf. Textlich bedeutet das: "Eure Zeit hält keiner an, weil ihr viel zu lang gewartet und nur weggesehen habt." Die Hooks sind eingängig und grölbar, der zackige Rhythmus geht schnell in die Beine.
Im Grunde finde ich es immer wieder schwierig, offensiv ausgeprochenem Angepisstsein soviel Ernsthaftigkeit zu schenken. Vor allem, wenn sie sich in klingelnden Power-Chords verpackt in die Menge wirft. Aber die Melodik von Rogers wirkt hinter den schlicht aktuell-sozialkritischen Texten angenehm spannend. "Anders Als Ihr" zum Beispiel, geführt von Text und Akustikgitarre, wendet sich aus dem Klischee, Punkrock sei stets schlicht gehalten, gekonnt heraus.
Der Albumtitel, der vielmehr als Albummotto zu begreifen ist, wird in "Zahnrad" brav fortgeführt: "Niemals hätte ich gedacht, wie man sich ändern kann / Heute Arschloch, damals Straßenpunk / Und nun bist du, dieses Zahnrad im System, das sich langsam weiter und weiter dreht / Kein Entkommen, du stehst niemals still / Weil dieses Uhrwerk sich weiter und weiter drehen will."
In einem Interview haben Chri, Artur, Nico und Dom mal gesagt, sie machen "Musik als Lebensgefühl sozusagen. Ein Lebensgefühl, dem man treu bleibt." Am Ende bleibt alles oder nichts, so manche Hymne und ein paar auf's Maul. Das reicht aber auch schon, um mit handfester Musik ein paar Menschen die Meinung zu geigen. Klingt fast nach Punkrock, oder?
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